Holodomor – das Wort bezeichnet den mutmasslichen (!) Kollektivmord von fast vier Millionen Ukrainern durch russische Hand Anfang der 1930er Jahre.
«90 Jahre nach dem Holodomor», twittert die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen, «sind unsere Gedanken bei der Ukraine, die trauert und erinnert, während wir gemeinsam mit Präsident Selenskyj den Welthunger bekämpfen.»

Die Frage, inwieweit die einseitige Sentimentalisierung des alten russisch-ukrainischen Nationalitätenkonflikts einem künftigen europäischen Frieden dient, ist das eine.

Das andere: Am 30. November befasst sich der Deutsche Bundestag mit dem parteiübergreifenden (alle ausser AfD und Linke) Antrag «Holodomor in der Ukraine: Erinnern – Gedenken – Mahnen». Laut Tagesordnung 38 Minuten lang, danach wird abgestimmt. Aller Voraussicht nach gilt die Hungersnot in der ukrainischen Sowjetrepublik in Deutschland dann als Völkermord.

Was ist nach 1930 wirklich geschehen?

Die Zwangskollektivierung wurde bald schon von Trockenheit und Missernten begleitet. Die Bolschewisten sahen nur die Versorgung der mehrheitlich kommunistischen Industriearbeiter; das Schicksal der verachteten Bauern zählte nicht. Getreide und Lebensmittel wurden konfisziert, die Landwirte misshandelt und terrorisiert. Im fruchtbaren Süden der UdSSR – Ukraine, Russland, Kasachstan – starben 1932/1933 fast neun Millionen Menschen an Unterernährung und Krankheit, nicht ganz die Hälfte davon in der ukrainischen SSR. Stalins brutale Verfolgung nationaler und religiöser Identität geschah im Namen der kommunistischen Macht; die Hungersnot war der kollektive Mord einer sozialen Klasse, keiner Ethnie.

Das zeigt schon die Biografie der obersten Täter. Stalin war Georgier, der ukrainische Parteichef Stanisław Kosior war Pole – Berufsrevolutionäre der ersten Stunde. Beide (und ihre Mitstreiter) kannten um 1930 nur ein ideologisches Ziel: die Ausrottung von Nationalität und Religion im Namen des Neuen Menschen. Egal wo und egal welcher.

Wenn die Ukraine sich heute erfolgreich als Opfervolk stilisiert, passt das zu einem restaurativen Zeitgeist, der sich eine solch revolutionäre Gedankenwelt nicht einmal mehr vorstellen kann.

Geschichtsklitterung ist es allemal.