Eine Deeskalation im Ukraine-Krieg ist dringend und setzt Verhandlungen voraus.

Das Problem: Sowohl Kiew als auch Moskau verweigern das Gespräch. Am Beispiel des hartnäckigen Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern lässt sich indessen zeigen: Nur diplomatische Interventionen von Dritten – zum Beispiel eines Staates oder eines angesehenen Politikers – können helfen, festgefahrene Situationen zu entschärfen. Der Nahe Osten liefert Beispiele, unter welchen Voraussetzungen das gelingen kann.

Auch wenn eine Waffenruhe oder gar ein Friedensvertrag unmöglich erschien: Es wurden immer wieder kreative Lösungen dafür gefunden, die Gesprächs-Verweigerung zu überwinden und zumindest einen Waffenstillstand zu erwirken.

Die Erfahrung lehrt: Dazu braucht es erstens Persönlichkeiten, die die Vermittlung und das Risiko des Scheiterns auf sich nehmen, zweitens müssen die Verhandlungen im Geheimen geführt werden, und drittens hilft ein Überraschungseffekt, Skeptiker im eigenen Land zu überrumpeln.

Wie wichtig bei Gesprächsverweigerung eine externe Einmischung ist, zeigt der Konflikt zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas, die den Gazastreifen im Süden Israels kontrolliert. Beide gehören zwar zu den notorischen Verhandlungs-Verweigerern und führen fast schon regelmässig Krieg. Um dann zwischen den beiden Parteien einen Waffenstillstand auszuhandeln, haben sich wiederholt deutsche, ägyptische und katarische Unterhändler eingeschaltet. Vertreter Israels und der Hamas sassen sich nicht gegenüber, sondern waren nur im Gespräch mit den externen Unterhändlern, die als Briefboten zwischen Kairo, Gaza und Jerusalem funktionierten.

Im Ukraine-Krieg ist es zwar kaum denkbar, dass Politiker wie Biden, Scholz, Truss oder Macron versuchen, sich persönlich oder mit Hilfe von Unterhändlern für einen Waffenstillstand einzusetzen oder gar einen Frieden auszuhandeln. Als Vermittler angeboten hat sich aber der ehemalige US-Präsident Donald Trump: Er hat sich – verklausuliert – als Unterhändler ins Spiel gebracht.

Seine Vermittlungsdienste hat auch Indiens Premierminister Narendra Modi offeriert. Sein Land sei bereit, bei Friedensbemühungen in dem seit sieben Monaten andauernden Konflikt mit Russland zu helfen, sagte er Anfang Oktober und übermittelte Indiens Bereitschaft, zu «jeglichen Friedensbemühungen» beizutragen.

Nur: Sobald Vermittlungsversuche in so festgefahrenen Situationen wie dem Ukraine-Krieg öffentlich angekündigt werden, sind sie bereits gescheitert. Die Kunst besteht darin, die Gespräche im Geheimen zu führen.

Das ermöglichte zum Beispiel 1993 das Abkommen von Oslo, bei dem sich Israels Jitzhak Rabin und Palästinenserführer Jassir Arafat erstmals die Hand reichten, obwohl Rabin stets gesagt hatte, mit Terroristen spreche man nicht. Noch im Sommer 1993 hatte er jeden Dialog mit dem PLO-Führer verweigert. Israelische Friedensaktivisten, die sich mit Arafat ausserhalb Israels getroffen hatten, mussten bei ihrer Rückkehr sogar mit einer Gefängnisstrafe rechnen.

Doch wenige Wochen nachdem Rabin im Fernsehen «Vergesst Verhandlungen mit der PLO» gesagt hatte, flog er nach Washington, wo er am 13. September 1993 seinem Widersacher Jassir Arafat die Hand reichte und mit ihm ein Dokument unterschrieb, das den Weg zur Kooperation ebnen sollte.

Das Abkommen war in Oslo von norwegischen Diplomaten vorbereitet worden: Heimlich sowie mit Einbezug von palästinensischen und israelischen Intellektuellen. Ihnen gelang es in der Folge, das Resultat ihrer Annäherungs-Versuche in die Politik einzuspeisen.

In Israel überwog zwar nach all den Gewalttaten und Terroranschlägen ein abgrundtiefes Misstrauen gegenüber den Palästinensern. Doch indem er mit dem Abkommen einen Überraschungseffekt erzielte, überrumpelte Rabin die öffentliche Meinung im Land.

Das Abkommen war zwar keine Garantie für den Frieden. Aber immerhin ermöglichte es während einiger Jahre eine Waffenruhe. Und damit wäre im Ukraine-Krieg schon sehr viel gewonnen.