Gary Lineker gilt in der Welt des Fussballs als Integrität und Fairness in Person. Der 80-fache englische Internationale kassierte in seiner ganzen Karriere weder eine gelbe noch eine rote Karte.

Doch vergangene Woche trat er mit beiden Füssen ins Fettnäpfchen. Auf Twitter verglich er die britische Flüchtlingspolitik mit dem Gebaren der Nazis im Zweiten Weltkrieg und schrieb: «Das neue Asylgesetz der konservativen Regierung ist mehr als schrecklich.»

Auf Kritik, er sei «nicht ganz bei Trost», antwortete Lineker: «Dies ist eine unermesslich grausame Politik, die sich gegen die am stärksten gefährdeten Menschen richtet, in einer Rhetorik, die der von Deutschland in den 1930er Jahren nicht unähnlich ist, und ich soll nicht ganz bei Trost sein?»

Premierminister Rishi Sunak und Innenministerin Suella Braverman reagierten empört. Mehrere Abgeordnete der Konservativen Partei forderten die BBC auf, sich von Lineker zu trennen.

Die BBC handelte umgehend – und suspendierte Lineker als Moderator der Kultsendung «Match of the Day». Dies wiederum entfachte in der englischen Fussballszene einen Sturm der Entrüstung. Die Profifussballer-Gewerkschaft PFA teilte am Samstag mit, sie unterstütze Spieler, die für die Sendung keine Interviews geben wollten. «Wir würden alle Mitglieder unterstützen, die mit Konsequenzen konfrontiert wären, weil sie sich entscheiden, ihren TV-Verpflichtungen nicht nachzukommen.»

Die BBC spielt in der Affäre eine undurchsichtige Rolle. Einerseits hat sie sich einer strikten Neutralität verschrieben. Andererseits verankerte sie gleichzeitig Quotenregelungen. Gendern wird wärmstens empfohlen. Ausserdem hat sich der Monopolsender den Kampf gegen den Klimawandel auf die Fahne geschrieben.

Am Montag sah sich die Fernsehanstalt zum spektakulären «Fallrückzieher» genötigt: Lineker, der bei Twitter etwa 8,6 Millionen Follower hat, darf ab sofort wieder moderieren. Die BBC liess verlauten: «Gary ist ein geschätzter Teil der BBC, und wir wissen, wie viel die BBC für Gary bedeutet, und wir freuen uns darauf, dass er am kommenden Wochenende unsere Berichterstattung präsentiert.»

Der Beobachter vom europäischen Festland reibt sich erstaunt die Augen – und stellt fest: In England hat das Wort einer Fussballlegende offenbar mehr Gewicht als dasjenige des höchsten Politikers.