Ich habe an Papst Franziskus bisher kaum ein gutes Haar gelassen. Zu erratisch seine Predigten, zu zeitgeistig seine Enzykliken, und mit seiner Basisbefragung des Kirchenvolkes zur Sexualmoral kam er mir vor wie ein Oberkellner, der die Menü-Wünsche der Moderne bedient, und nicht wie ein Kirchenlehrer, der die Fundamente des Glaubens sichert.
Seit einiger Zeit allerdings schwimmt er bewundernswert gegen den Strom.

Zunächst hat er sich gegen die Versuche der deutschen katholischen Kirche gestellt, auf einem sogenannten «synodalen Weg» mit Aufhebung des Zölibats und Priesterinnen den Protestantismus nachzuäffen. Nun hat er sich in der Vatikan-Zeitung Corriere della Sera kritisch über die Nato geäussert und über den Krieg in der Ukraine.
Franziskus nannte die der Ukraine in Aussicht gestellte Nato-Mitgliedschaft ein «Bellen vor der Tür Russlands».

Während also alle Welt, besonders die deutsche, den blutigen und tragischen Krieg in Gut und Böse aufteilt, als handle es sich um ein Bambi-Malbuch, erkannte Franziskus die Gefahr für den Weltfrieden, der auch von den USA und mit ihr der Nato ausgeht in ihrem ukrainischen Stellvertreterkrieg gegen Russland.

Er könne nicht sagen, ob die Wut Putins gegenüber der Ukraine provoziert wurde, aber «ich vermute, dass sie vielleicht durch die Haltung des Westens erleichtert wurde».
Und ich vermute, als einstiger Lateinamerika-Korrespondent, dass die Reserve des Argentiniers Franziskus gegenüber den USA und ihren rücksichtslosen Planspielen die ist, die ich bei den meisten Gesprächspartnern auf dem leidgeprüften südamerikanische Kontinent angetroffen habe – die westliche Supermacht hat dort Regierungen abgesetzt und eingesetzt und jeden dienstbaren Putschisten gestützt nach der Devise «Er ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn».

Gerade war eine Delegation der US-Demokraten in Kiew. Ihr vielsagendes Fazit: «Wir werden diesen Krieg gewinnen.»

Franziskus also nimmt das westliche Geschwafel von Demokratie und Freiheit als das, was es ist: als vernebelndes Geschwafel einer Supermacht mit dem Risiko eines Weltenbrandes.

Die 3 Top-Kommentare zu "Papst Franziskus hat grosse Formschwankungen – aber zum Ukraine-Konflikt findet er die richtigen Worte"
  • Maria

    Also,ich bin ja nun wirklich nicht mit allem einverstanden, was vom Vatikan so kommt, ganz im Gegenteil. Diesesmal jedoch, ist er einer der Wenigen, der den Mut hat, nicht weiter diese Kriegstreiber USA und EU ständig recht zu geben..und noch etwas, er hat sich nicht selbst gewählt bzw einfach auf den Stuhl gesetzt. Er wurde gewählt!

  • gilberth

    Papst Franziscus macht für eimal bei mir Eindruck, denn zum streiten brauchts IMMER ZWEI. Seine Feststellung, an der Tür von Russland sei seit Jahren ein bellender Hund der Nato - Nato Osterweiterung - entgegen dem Versprechen der Nato gegenüber Gobartchow, dies sei ausgeschlossen. Er könne nicht ausschliessen, dass dies auch mit eine Mitschuld des Westen sei. Eine objektive Einschätzung, ein Lichtblick im Gegensatz zur allgemeinen Kriegshetze des Westens.

  • Maria

    Er betet vermutlich für den Frieden und nicht für eine Partei