Am 7. Dezember hielt Bundesrat Ueli Maurer eine brillante Abschiedsrede vor der Vereinigten Bundesversammlung. Nachfolgend dokumentieren wir sie ungekürzt. (red.)

Und mit einem Mal tönt es fast wie eine Abdankung!

Aber es ist ja noch nicht so weit, obwohl ich mich auf die Zeit danach jetzt wirklich riesig freue. Trotzdem möchte ich sozusagen einen Boxenstopp einlegen, weil der heutige Tag für die Schweiz wichtig ist. Nicht weil wir zwei neue Bundesrate wählen oder zwei bisherige abtreten, sondern weil die Schweiz heute, in der 174-jährigen Geschichte der Bundesverfassung, die Bundesräte Nummer 120 und Nummer 121 wählt.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, was in diesen 174 Jahren rund um uns herum passiert ist – Kriege, reiche Länder, die entstanden und wieder verschwunden sind, Hunderte von Regierungen, die ausgewechselt wurden –, und wir, wir wählen in freudiger Erregtheit die Bundesräte Nummer 120 und Nummer 121, dann spricht das für die Schweiz, für unser System. Und daher, glaube ich, ist es ein wirklich wichtiger Tag für die Schweiz. Ein Tag, an dem wir uns, wie gesagt, daran erinnern, wie einzigartig wir sind.

Ich frage mich natürlich auch: Weshalb ist die Schweiz ein solcher Spezialfall?

Ich für mich finde die Antwort in der Bundesverfassung, im Zweckartikel, dem Artikel 2 Absatz 1, der sagt: «Die Schweizerische Eidgenossenschaft schätzt die Freiheit und die Rechte des Volkes [...].» Ich glaube, in diesem Begriff der Freiheit liegt wohl das Geheimnis unseres Staates. Ohne Freiheit keine Demokratie, und ohne Demokratie, ohne die Mitwirkung aller Stufen des Volkes ist diese Stabilität nicht zu erreichen. Dieser Freiheit, ihr müssen wir Sorge tragen. Sie begleitet uns ja auch in der Mythologie unserer Geschichte, hier in diesem Saal. Hinter mir sehen Sie die Rütliwiese, Gertrud Stauffacher, Wilhelm Tell – alles Symbole, die wir mit unserer Freiheit, mit unserem Staat verbinden. Und diese Freiheit ist enorm, sie ist enorm wichtig.

Ich glaube auch, dass wir der Freiheit immer Sorge tragen müssen. Sie war immer ein bisschen gefährdet, sie ist gefährdet und wird wohl auch in Zukunft immer wieder gefährdet sein. Ich meine die Freiheit des Landes, ich meine aber auch die Redefreiheit, die Meinungsfreiheit – das alles sind Güter, die zur Stabilität in unserer Demokratie beitragen. Dem müssen wir Sorge tragen. Die Freiheit finden Sie übrigens auch beim Geld, sozusagen bei meinem Hobby. Ein gesunder Finanzhaushalt bedeutet ebenfalls Freiheit – Freiheit für Sie zu entscheiden, was Sie können und wollen.

Mir ist ja der Ruf des Sparonkels oder des Rappenspalters etwas nachgegangen. Ich bin stolz darauf! Wissen Sie, es gibt nichts Einfacheres, als fremdes Geld auszugeben. Ich habe dieses Geld immer genau angeschaut. Wenn Sie beispielsweise einmal das Fünfrappen-, das Zehnrappen- oder das Zwanzigrappenstück betrachten, dann sehen Sie dort nicht etwa das Bildnis der Helvetia, sondern das der römischen Göttin der Freiheit, Libertas. «Libertas» steht auch auf ihrem Diadem. Ich bin also in meinem Job täglich mit der Freiheit verbunden gewesen. Nebenbei schadet es ja auch nicht, wenn wir das Bargeld behalten. Sie haben dann immer etwas Freiheit im Sack.

174 Jahre! Ich glaube wirklich, dass die Nummern 121 und 120 sehr viel über unser Staatswesen aussagen. Es ist dann halt so: Bundesräte sind nicht die Hauptpersonen, sondern sie sind sozusagen die Fussnoten unserer Geschichte. Ich wäre, wenn man mal etwas über mich schreibt, die Fussnote Nummer 111. So ist unser System.

Je vous remercie pour cette excellente collaboration. C'était toujours un très grand plaisir et un honneur de collaborer avec vous, de travailler avec vous; toutes ces discussions, ces émotions dans cette salle, cela va me rester. Et maintenant, Mesdames et Messieurs, chers amis, je m'annonce partant, merci.