Bundesrichter Thomas Stadelmann wurde von der Verwaltungskommission des Bundesgerichts scharf gerügt. Grund: Stadelmann wagte es, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gegen die Schweiz und für die Klimaseniorinnen öffentlich zu kritisieren.

Das Strassburger Gericht hatte im April entschieden, dass die Schweiz zu wenig gegen die Klimaerwärmung unternehme. Geklagt hatten die Klimaseniorinnen. Bundesrichter Stadelmann nannte das Urteil «absurd». Er sagte, der EGMR habe sich damit in die Klimapolitik eingemischt, die nicht in seine Kompetenz falle. Durch das Urteil, so Stadelmann, habe er sein Vertrauen in den EGMR «komplett verloren».

Diese deutliche Kritik blieb nicht ohne Folgen. In einem Schreiben vom 29. August warf die Verwaltungskommission dem Richter vor, gegen interne Regeln verstossen zu haben. Seine Äusserungen wurden als «respektlos» gegenüber Kollegen und schädlich für den Ruf und die Autorität des Bundesgerichts bewertet, schreibt der Tages-Anzeiger. Besonders heftig fiel die Reaktion auf Stadelmanns grundlegende Infragestellung der Legitimität des EGMR aus. Die Kommission warnte, dies könnte künftig dazu führen, dass Rechtsuchende, die eine Verletzung der Menschenrechtskonvention geltend machen, Stadelmann als Richter ablehnen könnten.

Neben dem Tadel erwägt die Kommission auch, Stadelmann von seinem Nebenamt als Präsident des von ihm mitbegründeten Schweizerischen Instituts für Judikative zu entbinden. Eine Entscheidung darüber steht noch aus.

Stadelmann teilt mit, er werde «keine Auskünfte» zu dieser Angelegenheit geben.