Es ist an der Zeit für eine Frau, hört man im politischen Geschäft immer wieder. Natürlich nur, wenn’s passt.

Marine Le Pen (53) passt Kanzler Olaf Scholz (63, SPD) und einigen EU-Regierungskollegen aber nicht, deshalb ist es bei der Stichwahl am Sonntag in Frankreich nicht Zeit für eine Frau. Muss man wissen.

Diesmal sind Frauen falsch. Deshalb hat Scholz sich einem gemeinsamen Appell verschiedener EU-Regenten angeschlossen, die den Wählern der Grande Nation beim Urnengang ganz dezent die Hand führen wollen.

«Es ist die Wahl zwischen einem demokratischen Kandidaten, der weiss, dass Frankreichs Stärke in einer mächtigen und unabhängigen Europäischen Union zunimmt. Und einer Kandidatin der extremen Rechten, die sich offen mit denen solidarisiert, die unsere Freiheit und Demokratie angreifen.»

Botschaft: Sonst gern, aber jetzt wäre diese femme fatal.

Das besondere demokratische Feingefühl und der Respekt vor dem Wähler zeigt sich darin, dass die beiden zur Wahl stehenden Kandidaten nicht namentlich genannt werden. Man hält die Franzosen offenbar für doppelt doof. Falsch wählen wollen und Einmischung aus dem Ausland nicht schnallen.

Das mit der Demokratie ist ohnehin so eine Sache. Als unlängst in Ungarn gewählt wurde, störten lupenreine Antisemiten und unverblümte Jobbik-Faschisten im Anti-Orbán-Bündnis die EU-westlichen Daumendrücker nicht.

Jetzt ist es von Übel, wenn Frankreichs Stimmungsbarometer im Westen Gelb zeigt und Monsieur und Madame von den schnöseligen Ex-Eliteschülern (École normale supérieure) im Elysee-Palast die Nase voll haben.

Oder um es mal anders zu sagen: Ein Volk, das die Bastille stürmte, als Deutsche und Spanier noch bei Hofe artig knicksten, darf sich Tipps von jenseits der Grenzlinie herzlich verbitten. Womit? Mit Recht!

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.