Viele befänden sich in einer «Wohlstands- und Sicherheitsillusion», kritisiert Rainer Dulger, der Präsident der Deutschen Arbeitgeberverbände. Im Interview mit der Augsburger Allgemeinen sagte er, dass der Glaube an «anstrengungslosen Wohlstand» Deutschland wirtschaftlich lähme.

Er forderte dringend notwendige Reformen im Rentensystem und warnte vor den Folgen der abschlagsfreien Frührente, der «Rente mit 63». Sie trage zum Fachkräftemangel bei, da jährlich mehr Menschen den Arbeitsmarkt verlassen als neu hinzukommen.

Dulger nannte drei Hauptfaktoren zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland: den Abbau von Bürokratie, die Steigerung des Arbeitskräfte-Angebots und eine höhere Wertschätzung der Arbeit durch «mehr Netto vom Brutto».

Die Wochenarbeitszeit zu verkürzen bei vollem Lohnausgleich, nennt er eine «Illusion». Die Debatte um die 35-Stunden-Woche in der Metall- und Elektroindustrie sowie die Bestrebungen der IG Metall für eine 32-Stunden-Woche seien nicht zielführend, so Dulger.

Weiter kritisiert er die fehlenden privaten Investitionen: Zwar kommen rund 90 Prozent der Investitionen in Deutschland aus dem privaten Sektor, doch die Investitionen aus dem Ausland seien in den vergangenen drei Jahren um jeweils etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr gesunken – ein Misstrauensvotum für den Standort Deutschland, so Dulger.

Die demografische Entwicklung verschärfe die Problematik zusätzlich: Trotz Zuwanderung werde die erwerbsfähige Bevölkerung in Deutschland bis 2035 wohl um vier bis sechs Millionen Menschen schrumpfen. Gepaart mit der alternden Bevölkerung, stellt dies eine erhebliche Herausforderung für den Arbeitsmarkt dar.

Der Rückgang der Arbeitskräfte betreffe nicht nur Deutschland, es sei ein globales Problem. Sinkende Geburtenraten und steigende Lebenserwartung führten weltweit zu einem geringeren Anteil arbeitender Menschen an der Gesamtbevölkerung, sagte Dulger. Er warnte davor, dass höhere Lohnabschlüsse durch steigende Energie- und Lebensmittelpreise neutralisiert werden könnten, was den Konsum als Stütze der Wirtschaft weiter schwäche.