Es ist Sommer, Corona ist so lange her, wie der Winter hin ist.

Keiner muss frieren – was also geht uns die Gasversorgung heute an?

Wahrgenommen hat manch einer, dass die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen empfiehlt, die Temperaturen in den Freibädern um zwei Grad abzusenken, um Energie zu sparen. Aber sonst?

Aber sonst wird die Situation ungemütlich: Die Energieversorgung in Deutschland wackelt, weil der russische Staatskonzern Gazprom weniger Gas als vereinbart Richtung Westeuropa pumpt.

Die Bundesnetzagentur, die für die Energieversorgung zuständig ist, spricht in ihrer mittlerweile täglich aktualisierten Mitteilung von einer «angespannten Lage». Noch sei die Versorgungs-Sicherheit gewährleistet, und die Unternehmen in Deutschland könnten sich Gasmengen, die sie brauchten, beschaffen – allerdings zu extrem hohen Preisen.

Ein Teil-Blackout der Industrie durch das Abstellen ganzer Werke rückt damit näher. Die Folgen wären für Hunderttausende Menschen in Deutschland Kurzarbeit und sinkende Einkommen, verbunden mit einer unsicheren Perspektive, wann sich die Situation wieder entspannt.

Auf diese kritische Phase hat der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, die Menschen bereits eingestimmt: Sollte kein Gas aus Russland mehr nach Deutschland fliessen, würde die Arbeitslosigkeit stark steigen. «Das ist anders, als wenn im Gastgewerbe eine Gaststätte schliesst. Das kann eine Kettenreaktion auslösen, die man mit Kurzarbeit allein nicht auffangen kann», warnt Scheele.

Martin Brudermüller, Vorstandschef des Chemiekonzerns BASF, ist eigentlich keiner, der unnötig Alarm schlägt, er setzt noch eins obendrauf: Der Ausfall russischer Energie-Lieferungen «könnte die deutsche Volkswirtschaft in ihre schwerste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs bringen».

Das Schreckensszenario, das die Konzernbosse derzeit in Krisenstäben mit Grosskunden und Regierungsvertretern durchspielen, sieht so aus: Wenn Teile der deutschen Industrie wegen Gasmangels stillstehen, werden die Kunden nach anderen Lieferanten ausserhalb Deutschlands suchen.

Sie kommen womöglich auch dann nicht zurück, wenn die Fabriken hierzulande wieder anlaufen. Der Einzelhandel hat genau diese Situation im Corona-Lockdown erlebt und Kunden dauerhaft an Amazon und Co. verloren.

Das Ganze wird nicht schön für Deutsche und West-Europäer. Und es hat eine unschöne Pointe: Der Gasstreit im Namen des Ukraine-Kriegs schwächt Europa.

Dem Ziel, das Sterben in der Ukraine zu verhindern, kommt damit keiner näher.