«Heiliger Sankt Florian / Verschon mein Haus, zünd andre an!»

Wenn es jedes Mal eine Beule gäbe, wenn die Deutschen sich in die eigene Tasche lügen, hätten wir arg zu buckeln.
Ausweislich verschiedener Umfragen will die Mehrheit der Deutschen saubere, erneuerbare Energie, möchte den Klimawandel stoppen – und trotzdem keine Windräder vor der Nase haben und natürlich niedrige Strompreise für Industrie und Haushalt.

Wohlweislich haben sich die Länder deshalb beträchtliche Mindestabstände zwischen Siedlungen und Windrädern in die Landesgesetze geschrieben, die wiederum den rapiden Ausbau der Windkraft (Ziel: 2 Prozent der deutschen Flächen sollen künftig im Wind müllern) erheblich behindern.

Am leidenschaftlichsten kämpfen übrigens klimabewusste Städter für die oft dröhnend rotierenden Turbinen mit ihren zirkulierenden Schlagschatten.
Kunststück: Im Häusermeer gibt’s nicht mal Offshore-Anlagen.

Das Phänomen ist allerdings nicht ganz neu: Eine Mehrheit möchte Tempolimit auf Autobahnen, wird aber regelmässig geblitzt. Die meisten wollen Tempo-30-Zonen vor der eigenen Haustür, woanders aber zügig fortkommen, edles Bio-Fleisch, aber bitte billig, eine Welt in Frieden, aber keine Auslandseinsätze, Digitalisierung, aber hermetischen Datenschutz, deutsche Qualität zu chinesischen Preisen und vermutlich auch den Frühling im Winter.

75 Jahre Frieden und Wohlstand haben bei vielen Deutschen die mentale Migration ins Reich der Brüder Grimm befördert – in eine Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat, der jüngste Sohn die Prinzessin heiratet und hundert Jahre Milch und Honig fliessen.
Die entscheidende Frage ist: Wer sagt es ihnen?

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.