Nach dem Mauerfall 1989 wurde das «Ende der Geschichte» eingeläutet, und viele träumten davon, wie alle Länder nun freiheitliche Demokratien einführen würden, weil es dazu ja keine Alternativen gäbe.

Diesem Irrtum unterliegen bis heute viele Menschen in den USA und in Europa. Sie glauben, der Westen sei dem Rest der Welt wirtschaftlich, militärisch und speziell auch moralisch überlegen.

Aber die Fakten sprechen eine andere Sprache.

Die «Emerging Markets» (EM) werden in ihrem Wachstumsdrang zwar immer wieder zurückgeworfen, und sie sind noch in vieler Hinsicht vom Westen abhängig. Aber sie holen dennoch Jahr für Jahr auf.

Sie lagen im Jahre 2022 gemäss der Schätzung des IWF vom April 2023 mit einem BIP von 45.100 Milliarden US-Dollar zwar noch deutlich hinter der hochentwickelten Welt mit 60.500 Milliarden US-Dollar. Aber um die Kaufkraft korrigiert, haben sie den Westen bereits 2007 egalisiert und liegen nun um 43 Prozent vor den Industrieländern.

Wer heute von wem abhängig ist, haben die Lieferengpässe in der Corona-Pandemie demonstriert. Der Westen droht seine Vormachtstellung zu verlieren.

China, Indien und Afrika wollen ihr fast unerschöpfliches Potenzial an billigen Arbeitskräften nützen, um ihren Wohlstand mit eigenen Industrien zu steigern und ihre Abhängigkeit vom Westen abzuschütteln. Während China dies mit einer forcierten Investitions- und Exporttätigkeit gelang, liegt Indien, das heute bevölkerungsreichste Land der Welt, immer noch deutlich zurück.

Indien exportiert nicht einmal einen Viertel von China, und das Pro-Kopf-BIP ist in China 5,5-mal so hoch wie in Indien. Aber die hohe Sparquote in China, die diesen Aufstieg ermöglicht hat, ist seit einigen Jahren rückläufig. Immer weniger junge Arbeitskräfte kommen auf den Arbeitsmarkt, und die Alten beginnen ihre Ersparnisse aufzuzehren. In Indien verläuft die demografische Entwicklung umgekehrt. Die aktive Bevölkerung wächst, und die Sparquote steigt rapide.

Militärisch ist die Führungsrolle der USA zusammen mit ihren Nato-Verbündeten zwar unbestritten, aber China hat zu einer Aufholjagd angesetzt, und die militärischen Konflikte seit dem Vietnam-Krieg sind alles andere als eine Erfolgsgeschichte des Westens, vor allem wenn man die zweifelhaften Gründe für die Angriffskriege, Folterungen und andere teils vertuschte Kriegsverbrechen miteinbezieht.

Der Ukraine-Krieg hat den Westen militärisch nochmals zusammengeschmiedet. Aber ein Kriegsende könnte den Zusammenhalt erneut in Frage stellen. Sollte es zu einem militärischen Konflikt zwischen den USA und China kommen, dann wird es für die Europäer angesichts ihrer wirtschaftlichen Verflechtungen mit China problematisch, an der Seite der USA zu kämpfen.

Viele Länder der Dritten Welt bezweifeln heute, ob der Weg nach Westen für sie noch erstrebenswert ist. Sie realisieren, dass eine beschleunigte wirtschaftlichen Modernisierung und Industrialisierung oft im Widerstreit zur Demokratie stehen.

Autokratische Länder wie China verzeichnen raschere Wohlstandsgewinne als die grösste Demokratie der Welt, Indien. In internationalen Organisationen verhalten sich insbesondere die 54 afrikanischen Staaten immer häufiger neutral oder unterstützen China und Russland, die ihnen wirtschaftliche und militärische Hilfe leisten.

Indien und Brasilien kooperieren immer öfter mit Russland und China. Auch in den arabischen Ländern regt sich Widerstand gegen den arroganten Westen. Viele EM haben die kolonialistische Vergangenheit nicht vergessen. Sie verachten den westlichen Luxuskonsum auf ihre Kosten.

Um die eigenen Machtansprüche zu verteidigen, versucht der Westen dem Rest der Welt nun weiszumachen, dass er wenigstens noch moralisch überlegen sei. Aber selbst diese Moral-Rhetorik verblasst, denn die elektronischen Medien verbreiten nicht nur Gräueltaten autokratischer Staaten, sondern decken auch die Doppelmoral des Westens auf, der Waffen in Kriegsgebiete liefert und Stellvertreterkriege führt, der weiterhin ohne Rücksicht auf die Natur Rohstoffe in den EM ausbeutet und in Billigstlohnländern zu unmenschlichen Bedingungen produzieren lässt.

Die 3 Top-Kommentare zu "Die G-7-Staaten stemmen sich mit aller Kraft gegen eine multipolare Welt. Ohne Erfolg: Die Doppelmoral des Westens stösst auf Widerstand"
  • corse36

    Der Westen schafft sich selbst ab. Deutschland hat es bereits erfolgreich gezeigt, wie es funktioniert.

  • x

    Der Wind der Geschichte bläst den "grossen" 7 eisig ins Gesicht. Noch trösten sie sich mit dem bisschen warmer Luft ihrer Medien. Doch die interessiert in der übrigen Welt niemanden mehr.

  • miran.raouf1980

    Die multipolare Welt ist schon Realität, da Russland nicht geschlagen wird, China und Indien extrem wichtige wirtschaftliche Mächte sind und die BRICS-Staaten sich trotz allen Versuchen nicht spalten lassen. Dafür sind die westliche Zivilisationen am Ende: innerliche Spaltung der Gesellschaften, absolute Unterwerfung der Staaten unter die Interessen der globalen Konzerne bis hin zum Funktionsverlust der Staaten - denn der Staat soll als Ordnungsmacht die Bürger vor Firmeninteressen schützen.