Der Sport sei apolitisch, wird von grossen Verbänden immer wieder behauptet. Es ist eine der dreistesten Lügen der Neuzeit. Längst hat sich der sportliche Wettkampf zu einem Milliardengeschäft entwickelt, das wirtschaftlich und politisch mehr Strahlkraft besitzt als die Uno-Vollversammlung und der Zusammenschluss der wichtigsten globalen Finanzplätze.

Folgerichtig schreibt die Neue Zürcher Zeitung vom «sorgsam gepflegten Stereotyp der internationalen Verbände, dass der Sport apolitisch sei: Gerade grosse Organisationen wie der Weltfussballverband Fifa und das Internationale Olympische Komitee (IOK) pflegen eine beinahe schon fahrlässige Nähe zu totalitären Regimen. Drei der letzten fünf Olympischen Spiele (Sotschi 2014, Rio 2016 und Peking 2022) sowie die letzten beiden und die kommende Fussball-Weltmeisterschaft (Brasilien 2014, Russland 2018, Katar 2022) fanden oder finden in Ländern statt, die sich um die demokratischen Rechte und die Meinungsfreiheit ihrer Bürger foutieren.»

Die NZZ folgert, dass beide Seiten vom «unheiligen Schulterschluss» profitieren. Staatspräsidenten wie Russlands Wladimir Putin oder Chinas Xi Jinping würden die Strahlkraft internationaler Grossveranstaltungen als Mittel zur staatsinternen Propaganda nutzen. Im Gegenzug erhalten die internationalen Sportverbände einen potenziellen neuen Markt und eine Plattform, in der jeder Ansatz von gesellschaftspolitischer Kritik an ihren Produkten im Keim erstickt wird. Lästige demokratische Prozesse würden wegfallen, schreibt die Zeitung – und zitiert postum den früheren FIS-Präsidenten Gian Franco Kasper: «Es ist nun einmal so, dass es für uns in Diktaturen einfacher ist. Vom Geschäftlichen her sage ich: Ich will nur noch in Diktaturen gehen, ich will mich nicht mit Umweltschützern herumstreiten.»

Nun fordert die NZZ, dass sich der Sport konsequent an seinen idealen Werte orientiert, Farbe bekennen und beispielsweise Russland als Veranstalter und Gastgeber auf allen Ebenen isolieren und aus seinem Kreis ausschliessen müsse: auch dessen Funktionäre und Repräsentanten sowie nicht zuletzt die Athleten als Botschafter eines Landes, das internationales Recht und die Grundsätze, auf denen die weltweite Koexistenz fusst, aufs Schwerste verletzt.

Aus moralischer Sicht mag die Neue Zürcher Zeitung Recht haben. Führt man diesen Gedanken aber zu Ende, bleibt nur eine desillusionierende Erkenntnis: Hält sich der Sport konsequent an die selbergegebenen Regeln, schafft er sich selber ab. Es ist zwar ein schöner Gedanke, dass Grossanlässe nur noch in demokratischen Staaten durchgeführt werden. Erinnert man sich aber an die Olympia-Abstimmungen in Deutschland, Schweden, Österreich und in der Schweiz, bleibt nur eine Erkenntnis. Spitzensportliche Aktivitäten auf basisdemokratischen Grundlagen sind ebenso illusorisch wie Hochleistungs-Wettbewerbe ohne Dopingmissbrauch und Manipulations-Verdacht.