Winnetou ist ein totaler Fake.

Der berühmteste Indianer aller Zeiten hat mit der Realität der Indianer so viel zu tun wie der Franzose Pierre Brice, der berühmteste aller Winnetou-Darsteller.

Winnetou-Erfinder Karl May (1842–1912) war ein verurteilter Hochstapler, der nie amerikanischen Boden betreten und wahrscheinlich auch nie einen echten Indianer getroffen hat.

Doch Karl May hat das Klischee des «edlen Wilden» so perfekt inszeniert wie kein anderer.

Dieses falsche Klischee bestimmt auch 150 Jahre nach der Erfindung von Winnetou unsere Wahrnehmung der Indianer: Wenn von Indianern die Rede ist, ist ein feierlicher Ton angesagt. Eigentlich darf man Indianer ja gar nicht mehr sagen. Doch «Indigene» – der spanische Begriff für Eingeborene – ist auch nicht ganz stubenrein.

Tatsache ist: Die allermeisten Indianer haben sich längst und praktisch vollständig mit den europäischen Zuwanderern vermischt. Soweit sie nicht bereits vor 500 Jahren von der Grippe dahingerafft wurden, gegen die sie keine Abwehrkräfte hatten.

In Nordamerika, wo die Indianer – wie unsere Vorfahren – vorwiegend als Nomaden lebten, ist ihre Kultur praktisch verschwunden.

Im schwer zugänglichen Amazonas dauert der Vormarsch der Zivilisation etwas länger. Doch selbst im Dschungel haben sich fast alle Ureinwohner vermischt. Die präkolumbianischen Zivilisationen in Zentral- und Südamerika wurden bereits während der Kolonialzeit mit der spanischen fusioniert. Zwischen Paraguay und Mexiko entstand dabei eine eigenartige und reizvolle Mischkultur.

Das ist der Lauf der Welt: Völker und Kulturen entwickeln und vermischen sich, sie kommen und vergehen.

Wer sich das Leben und Überleben in der Wildnis als romantisch vorstellt, der hat keine Ahnung von der Realität. Sie ist in erster Linie brutal und primitiv.
Kein Mensch verlangt von den Eidgenossen, dass sie wieder wie die Kelten leben. Und wer in Deutschland die Achtung des germanischen Erb(gut)es fordert, steht mit einem Bein im Gefängnis.

Die Vorstellung, dass es bei den Indianern anders sein sollte, ist nicht nur absurd. Sie ist im Kern rassistisch und kolonialistisch.

Reservate sind menschliche Zoos, Freilichtmuseen, die allein der Erbauung zivilisationsmüder Romantiker dienen. Und der Besänftigung des schlechten Gewissens.

Zweifellos gab es Verbrechen gegen die Urvölker Amerikas. Doch das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Indianer streben nach den Vorzügen der Zivilisation wie alle anderen Menschen. Sie daran hindern zu wollen, ist auch ein Verbrechen.

Falsche Klischees schafft man nicht aus der Welt, indem man sie verbietet. Sondern indem man sie an der Realität zerschellen lässt.