Russland weitet seine Zensur ausländischer Medien aus.

Jüngster Fall: Die russische Botschaft in Bern droht dem Osteuropa-Korrespondenten der NZZ, Ivo Mijnssen, mit der Verhaftung, sollte er in Russland einreisen.

«Im allgemeinen Strom des täglichen Schmutzes in Bezug auf unser Land», heisst es in der Pressemitteilung der russischen Botschaft, «tauchen ab und zu Beiträge in der schweizerischen NZZ auf, die von der absoluten Degradation der journalistischen und allgemeinmenschlichen Ethik der Autoren zeugen.»

Erschienen ist der beanstandete Bericht aus der besetzten Stadt Melitopol Anfang April.

Er sei, so die russische Botschaft, in «einem eindeutig den Kopfabschneidern sympathisierenden Ton vorgetragen» worden, sprich: Die NZZ und ihr Korrespondent hätten den Terrorismus öffentlich gerechtfertigt.

Die russische Gesandtschaft warnt den gebürtigen Zürcher Mijnssen vor den Konsequenzen: «Laut Artikel 205.2 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation wird die öffentliche Rechtfertigung von Terrorismus und Terrorismuspropaganda über die Medien mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von fünf bis sieben Jahren bestraft.»

Diese Drohung ist durchaus ernst zu nehmen: Ende März wurde der US-amerikanische Journalist Evan Gershkovich, der für das Wall Street Journal arbeitet, in Jekaterinburg, der viertgrössten Stadt des Landes, verhaftet. Er hatte über Russlands kränkelnde Wirtschaft berichtet und geschrieben, dass der Kreml mit «ausufernden Militärausgaben» konfrontiert sei und gleichzeitig die Sozialausgaben aufrechterhalten müsse. Vorgeworfen wird Gershkovich jetzt «Spionage», worauf eine Strafe von zwanzig Jahren steht.

Mijnssen und Gershkovich sind keine Einzelfälle extraterritorialer Zensur. Wikipedia ist für einen Artikel über die Invasion der Ukraine gebüsst worden, der unter dem Titel «Russische Besatzung der Region Saporischschja» erschienen war.

Und nachdem La Stampa vor einem Jahr einen Artikel publiziert hatte, in dem «die Ermordung Wladimir Putins als einziger Ausweg aus dem russischen Krieg in der Ukraine» erschienen war, klagte der russische Botschafter in Rom, Sergei Rasow, den Journalisten und die Zeitung vor einem italienischen Gericht an, weil das die Anstiftung zu einer Straftat sei.

Inzwischen hat das Schweizer Fernsehen entschieden, die bevorstehende Reise seines Sonderkorrespondenten Christof Franzen zu verschieben. Die Arbeit in Russland sei für ausländische Journalisten «schon länger mühsam und schikanös», so «10 vor 10». «Spätestens jetzt ist sie gefährlich.»

Im Kreml sieht man das anders: Alle akkreditierten ausländischen Journalisten würden weiterhin in Russland arbeiten können, sagte ein Sprecher – einen Tag nachdem der Wallstreet-Reporter verhaftet worden war.

Aber: Wer Spion oder Verräter ist, bestimmt der Kreml.