Fürwahr, die Menschheit ist eine seltsame Spezies. Da haben wir als brave, disziplinierte Gefolgschaft unserer Behörden während zweier Jahre Pandemie fast alles und jedes mitgemacht: Wir haben Covid-Gesetze verabschiedet, Abstand gehalten, Mundschutz getragen, die Hände häufiger gewaschen. Wir sind freiwillig oder gezwungenermassen zu Hause geblieben, wir haben Besuchsverbote und Isolationen in Spitälern und Altersheimen akzeptiert. Wir haben uns impfen, nochmals impfen und obendrein noch boostern lassen – und Milliarden um Milliarden bezahlt, um die Wirtschaft herunterzufahren.

All diese Massnahmen dienten dem einzigen Zweck, Leben zu schützen. Wir haben alles Mögliche und Unmögliche unternommen, damit möglichst niemand am oder mit dem Covid-Virus stirbt. Denn das menschliche Leben ist einzigartig und darum unter allen Umständen schützenswert – so haben wir es gehört, so haben wir es begriffen. Trotz aller Widrigkeiten ist das Leben nämlich eine Erfahrung, die uns ungern sterben lässt.

Doch neuerdings ist alles anders. Angesichts des Ukraine-Kriegs zwischen zwei ehemaligen Sowjetrepubliken am östlichen Zipfel Europas ist ein Menschenleben plötzlich so gut wie nichts mehr wert. Speziell dann, wenn Menschen fern unserer Heimat sterben sollen. Nämlich die Hunderttausenden von Ukrainern, die angeblich auch unsere Freiheit verteidigen. All die unbekannten Soldaten, denen wir im Westen nicht genug Waffen liefern können. Damit möglichst viele von ihnen möglichst lange an der Front für uns verbluten. Süss ist es, fürs Vaterland zu sterben. Jedenfalls, solange es andere Menschen und andere Vaterländer betrifft.

Während bei Covid die Politiker, Journalisten und Experten keinen einzigen Menschen verloren gaben, führen sie jetzt in heiligem Eifer eine Schlacht, die andere kämpfen. Sie können in ihren Reden, Appellen und Talkshows gar nicht genug Menschenmaterial in die ukrainische Blutmühle schicken. Kühl, distanziert, unbewegt. Dabei wäre das Leben geschenkte Zeit dafür, etwas zu schaffen. Bevor uns das Leben ohnehin schafft.