Nun hat sie es also getan: Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), ist aus der Deckung gekommen. Sie will tatsächlich die Notenpresse anhalten, indem sie die Anleihekäufe von Staatsschulden beendet. Sie will sogar einem alten Bekannten zum Comeback verhelfen: dem Zins.

Er soll zunächst in einem kleinen, dann aber vielleicht in mehreren Schritten weiter angehoben werden.

Wird es gegen die Inflation helfen? Natürlich nicht. Dafür gibt es vier Gründe.

Erstens: Der Zinsschritt ist zu zaghaft. Lagarde nimmt grosse Rücksicht auf jene EU-Länder, die tief in der Kreide stehen. Wenn die ihre Staatsschulden wegen steigender Zinsen nicht mehr finanzieren können, steigen die Fliehkräfte innerhalb der Union, und das kann keine EZB-Chefin wollen.

Zweitens hat die EZB mit ihrer Geldpolitik zwar eine Waffe gegen die Inflation in der Hand, aber entscheidender als Anleihekäufe und Zinsen sind derzeit Lieferengpässe, Arbeitskräftemangel und explodierende Energiepreise. Dagegen ist die EZB machtlos.

Drittens: Die Unternehmen haben ihre gestiegenen Erzeugerpreise bislang nur zu einem kleinen Teil an die Kunden weitergegeben. Das dicke Ende kommt noch.

Und schliesslich: Die Inflationserwartungen der Deutschen liegen bei fünf Prozent. Das ist die Zielmarke, die Gewerkschaften in der nächsten Tarifrunde erreichen müssen, wenn sie ihre Daseinsberechtigung unter Beweis stellen wollen. Es sind also auch die Löhne, die die Inflation weiter anfachen werden.

Es bleibt deswegen dabei: Lagarde ist die grosse Zauderin an der Spitze der wichtigsten europäischen Institution. Sie hat den richtigen Zeitpunkt zur Zinserhöhung verschlafen.

Wenn Sie einmal ihr Arbeitszimmer im Frankfurter EZB-Tower räumt, wird über dem Türbalken stehen: «Hier ruhte die Mutter der Inflation.»