Eine weitere Kriegsfront im Nahen Osten wird immer wahrscheinlicher.

Denn die weitgehend von Iran finanzierte Hisbollah hilft der Hamas, ihrer «Mischpoche» im Gazastreifen: Die Hisbollah greift seit acht Monaten den Norden Israels an. Sie bindet im Norden Israels nicht nur grosse Truppenverbände, sondern hat im an den Libanon grenzenden Gebiet rund 60.000 Israeli in die Flucht getrieben.

Ganze Städte und Dörfer sind im Norden Israels seit acht Monaten verwaist, die Bewohner sind in Hotels oder in Kibbuzim irgendwo im Landesinnern untergebracht. Seit ein paar Wochen weitet die Hisbollah ihre Angriffe sowohl zahlenmässig als auch geografisch aus. Am Freitag traf sie zum Beispiel Nazareth.

Seit Mai kann die Hisbollah mit Hilfe von Drohnen erfolgreich Angriffe auf israelische Ziele durchführen, die die Armee nicht abfangen kann. Zur gleichen Zeit begann die Hisbollah mit dem Abschuss von «Burkan»-Raketen, die schwere Schäden an IDF-Stützpunkten entlang der Grenze verursachten.

Man sollte sich deshalb nicht wundern, dass in Jerusalem eine breite Offensive gegen die Hisbollah zunehmend als notwendig beurteilt wird, weil Israel den verlorenen Norden des Landes zurückgewinnen und sein Abschreckungspotenzial wiederherstellen will.

Aber: Eine zweite Front ist für die israelische Armee kaum zu bewältigen, warnte die US Defense Intelligence Agency bereits im Januar. Inzwischen ist die IDF weiter geschwächt.

Die Hisbollah ist ein viel stärkerer Gegner als die Hamas. Sie verfügt laut israelischen Angaben über ein Arsenal von mehr als 150.000 Raketen und Flugkörpern sowie über Tausende von kampferprobten Terror-Infanteristen. Tel Aviv wäre ebenso bedroht wie Jerusalem.

Das Risiko wäre nicht nur für Israel gross, sondern für die ganze Region. Ein umfassenderer Konflikt mit der Hisbollah könnte die iranischen Stellvertreter in Syrien und im Irak provozieren. Israel würde einer Armee gegenüberstehen, die sich aus libanesischen, syrischen, jemenitischen. irakischen und iranischen Terroreinheiten zusammensetzt.

Die USA und Frankreich haben versucht, eine diplomatische Lösung zu finden, um die Spannungen an der Grenze abzubauen, konnten aber bisher keine Fortschritte erzielen. Die Regierung Biden hat Israel in den letzten Wochen von der Idee eines «begrenzten Krieges» im Libanon zwar abgeraten. Ein solcher Schritt könnte den Iran zum Eingreifen zwingen.

Doch was soll Israel tun?

Die Hisbollah hat erstens den Norden Israels unbewohnbar und zweitens die israelische Abschreckung unwirksam gemacht. Und sie hat drittens die Machtverhältnisse auf den Kopf gestellt.