Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, wo die überschuldeten EU-Staaten ihre Finanzprobleme mit der Brechstange lösen müssen, vor allem wenn die steigenden Zinsen nur noch mit neuen Schulden bezahlt werden können.

Schuldenschnitte auf Staatsanleihen wären jedoch vielerorts ein Schnitt ins eigene Fleisch, denn in den meisten Ländern sind sowohl die Bankenbilanzen wie auch die Altersvorsorge mit Staatsanleihen vollgestopft. Die Staaten werden deshalb neue Wege suchen, um an günstiges oder überhaupt noch an Geld zu kommen.

Vor Finanzproblemen standen im 12. und 13. Jahrhundert auch viele italienische Städte, die nach vielen glanzvollen Jahren dank blühendem Handel zur See übermütig wurden und über ihre Verhältnisse lebten. Um die in den folgenden dürren Jahren anfallenden Defizite zu decken, führten Venedig und Florenz damals Zwangsanleihen für die finanzielle Oberschicht ein. Im Kern sind diese nichts anderes als geschickt getarnte temporäre Vermögensabgaben.

Sogar in der Schweiz, vor allem aber in Deutschland wurde unlängst der Ruf nach einmaligen Abgaben für grosse Vermögen laut. Als Begründung dafür werden die Corona-Pandemie und die hohen Energiepreise vorgeschoben. Solche Vermögensabgaben seien gerechtfertigt, da sie zur Steuergerechtigkeit beitrügen und einen Ausgleich zwischen den Geschädigten und den Profiteuren der Corona- und Energiekrise schafften.

Was ist damit konkret gemeint?

Sparer mit Bankguthaben von beispielsweise über 200.000 Euro sollen vom Staat gesetzlich gezwungen werden, einen Teil des übersteigenden Betrages an den Staat abzuführen oder Staatsanleihen zu kaufen.

Es findet eine temporäre oder endgültige Konfiszierung von Vermögen statt, ein schwerwiegender Eingriff in die Eigentumsrechte. Dass solche Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt eine Studie des wissenschaftlichen Beirats beim deutschen Bundesministerium der Finanzen vom 17. Mai 2021. In diesem Bericht werden einmalige Vermögensabgaben zwar abgelehnt, aber deshalb sind solche noch lange nicht vom Tisch.

Erstens wurde dieser Bericht noch von der alten Regierung verfasst. Zweitens enthält der Artikel 106 Absatz 1 Nummer 5 des deutschen Grundgesetzes eine Kompetenz für die Erhebung einmaliger Vermögensabgaben durch den Bund.

Diese erfordern zwar besonderen Voraussetzungen. Wann diese vorliegen, ist aber nicht abschliessend geklärt. Deshalb ist zu befürchten, dass die Politik diese schwammige Formulierung als Spielraum zu ihren Gunsten interpretieren wird.