Das Resultat war knapp, doch es gibt nichts zu deuteln: 50,9 Prozent der Brasilianer haben Luiz Inácio «Lula» da Silva im Stichentscheid zum dritten Mal zu ihrem Präsidenten gewählt.

Es war das gleiche Szenarium wie bei der ersten Runde: Elf Bundesstaaten im industrialisierten und fortschrittlichen Süden und zwei an der Grenze zu Venezuela haben zumeist deutlich für den Amtsinhaber Jair Bolsonaro gestimmt; doch die dreizehn ärmeren und rückständigen Bundesstaaten im Norden und Nordosten gaben noch deutlicher Lula den Vorzug. Minas Gerais spielte das Zünglein an der Waage.

Lula beschwor in seiner Siegesrede ein «Votum der Hoffnung und der Einigkeit». In Anbetracht des Resultats wirkten diese Worte so morsch wie Stroh. Lulas lustlose Mimik zeugte eher von Trotz.

Fairerweise muss man einräumen, dass Bolsonaro ohne Lula vor vier Jahren kaum gewählt worden wäre. Mit seinem wirtschaftsliberalen Programm war er ein krasser Aussenseiter in einem Land, das sich zuvor während über zwei Jahrzehnten mit linken Populisten arrangiert hatte.

Das rote Wohlfühl-Regime endete 2016 abrupt mit dem Lava-Jato-Skandal. Es war der grösste Prozess in der Geschichte Brasiliens mit Dutzenden von Angeklagten, einer Deliktsumme in Milliardenhöhe und Ausläufern in ganz Lateinamerika.

Ausgangspunkt war der halbstaatliche Erdölriese Petrobras, aus dessen Kassen sich die herrschende classe politique während Jahrzehnten schamlos bedient hatte.

Im Zentrum des Korruptions-Skandals standen Präsident Lula (2003 bis 2010) und seine Energieministerin beziehungsweise Nachfolgerin Dilma Rousseff (2011 bis 2016). Beide wollen von den korrupten Milliardengeschäften in ihrem engsten Umfeld nichts bemerkt haben.

Lula wurde mehrmals rechtskräftig verurteilt. Unter massivem medialem und politischem Druck hob das oberste Gericht die Urteile postum wegen angeblicher Formfehler auf und entliess Lula nach neunzehn Monaten aus dem Gefängnis.

Lulas wundersame politische Wiederauferstehung war kein Einzelfall. Einige Mittelsmänner wurden zwar zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Doch die namhaften Politiker wurden alle verschont.

Bei den letzten Parlamentswalen hatten 21 Kandidaten pendente Strafverfahren aus dem Lava-Jato-Komplex am Hals. Das schien kaum jemanden gross zu kümmern.

Die Wahl Lulas setzt den Schlusspunkt unter den Bankrott der Anti-Korruptions-Justiz.