Während Davos und das World Economic Forum (WEF) derzeit zum Mekka für Top-Unternehmer und Spitzenpolitiker mutieren, bejubelt das Wirtschaftsmagazin Economist die ökonomische Leistung der Schweiz. Es lobt den Standort in so hohen Tönen, dass man meinen könnte, der Text stamme aus der Schreibstube einer schamlosen PR-Agentur. Aber der Artikel ist kein gekauftes Gefälligkeitsgutachten, sondern eine von Fakten untermauerte Analyse, die, so der Titel, das «Rezept für die überdurchschnittliche Leistung (outperformance) von Schweizer Unternehmen» preisgeben soll. Der Text sollte in Davos Pflichtlektüre sein.
«In dem Land der Berge und Täler, das vor der Ansiedlung weltbekannter Unternehmen vor allem für die Erfindung des Jodelns bekannt war, muss etwas Bemerkenswertes vor sich gehen», wundert sich der Autor. Um dann die kleine Schweiz mit dem Rest der grossen Welt zu vergleichen. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt habe die Schweiz die höchste Dichte an Fortune-500-Unternehmen weltweit. Ausländische Spitzen-Firmen würden von der Schweiz förmlich angezogen, wie das Beispiel des Google-Konzerns zeige, der in Zürich sein grösstes Entwicklungszentrum ausserhalb Amerikas eingerichtet habe. Und Schweizer Blue-Chip-Firmen würden zudem besser abschneiden als ihre europäischen Konkurrenten: «Der Schweizer Börsenindex ist in den letzten fünf Jahren um 29 Prozent gestiegen gegenüber 3 Prozent beim Euro Stoxx 50, einem Index, der von französischen und deutschen Grosskonzernen dominiert wird.»
Dass der Ruf von Schweizer Unternehmen weit über die Landesgrenzen hinaus reicht, führt der Economist auf eine Reihe von Faktoren zurück. Dazu gehöre zum Beispiel, dass das Land von «gesundem Menschenverstand» geprägt sei, wird Nestlé-Präsident Paul Bulcke zitiert. Gelobt wird auch das «einzigartige politische Modell», das aus Föderalismus und direkter Demokratie bestehe, in welchem die Zentralregierung schwach und die Regulierungsdichte gering sei. Positiv erwähnt wird auch der Wettbewerb unter den Kantonen um attraktive Standortbedingungen und tiefe Steuersätze.
Allerdings habe der Standort Schweiz für multinationale Unternehmen in den vergangenen drei Jahrzehnten an Attraktivität verloren, mahnt das renommierte Wirtschaftsmagazin aus dem Brexit-Land. Es nennt die Jahreszahlen 1992 (Nein zum EWR) und 2021 (Scheitern des Rahmenabkommens). Vieles, was die Stärken der Schweizer Unternehmen ausmache, sei jetzt mit einem Fragezeichen versehen. Der Krieg in der Ukraine lasse jetzt «einige Schweizer» zudem über den neutralen Status ihres Landes nachdenken: Zur «allgemeinen Überraschung» habe sich der Bundesrat den westlichen Sanktionen gegen Russland angeschlossen, schreibt der Autor, ohne das zu werten. Doch das, ist er überzeugt, werde dem Erfolgsmodell nichts anhaben können: «Die Schweizer haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie Herausforderungen mit harter Arbeit und Erfindungsreichtum meistern können.» Die Chancen stünden deshalb gut, «dass sich die Plutokraten von Davos noch viele Jahre lang in der Schweiz zu Hause fühlen werden».
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