Dieser Meinungsbeitrag von Jimmie Åkesson, dem Parteichef der Schwedendemokraten, erschien am 2. Mai 2023 in der schwedischen Tageszeitung «Aftonbladet» und rief international zahlreiche Reaktionen hervor. Die Schwedendemokraten sind die zweitgrösste Partei des Landes und stützen die Minderheitsregierung von Premierminister Ulf Kristersson. Wir dokumentieren seinen Text im Wortlaut und übersetzt. Die Redaktion.

Der Einfluss der EU auf die Mitgliedstaaten nimmt langsam, aber sicher zu. Die Machtverschiebung von Schweden nach Brüssel ist im Gange. Heute gibt es gute Gründe, unsere Mitgliedschaft in der Union ernsthaft zu überdenken.

Obwohl die Schwedendemokraten der EU gegenüber grundsätzlich skeptisch eingestellt sind, haben wir uns in den letzten Jahren für eine konstruktivere Haltung gegenüber der Mitgliedschaft entschieden. Wir akzeptieren – wenn auch widerstrebend –, dass die EU in ihrer jetzigen Form kurz- und mittelfristig die realistische Form der europäischen Zusammenarbeit ist.

Wir glauben, dass die Kernaufgabe der EU in der Handelszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten liegen sollte. Leider ist es naiv, kurzfristig auf grössere Veränderungen zu hoffen. Auf etwas längere Sicht müssen wir jedoch versuchen, die Union in eine für Schweden günstigere Richtung zu beeinflussen. Die Entwicklung geht erschreckenderweise in die falsche Richtung.

Die EU-Mitgliedschaft wird in gefährlicher Weise zu einer Zwangsjacke. Schweden hat einen grossen Teil seines Selbstbestimmungsrechts aufgegeben. Auch wenn wir in der Union durch unsere eigenen Politiker vertreten sind, sind wir in diesem Kontext viel zu klein, um wirklich etwas zu bewirken. Das bedeutet, dass deutsche, polnische oder französische Politiker darüber entscheiden können, welches Auto und wie viel Benzin wir kaufen können oder welche Bäume wir auf unserem eigenen Land fällen dürfen.

Dies ist ein demokratisches Problem, das niemand ausser uns sehr ernst zu nehmen scheint. Allein die Tatsache, dass über 60 Prozent aller Entscheidungen in schwedischen Gemeinden und Regionen von EU-Beschlüssen beeinflusst werden, ist erstaunlich. Die Politiker und Bürokraten anderer Länder, die wir nicht wählen oder entlassen können, haben derzeit einen grösseren Einfluss auf die schwedische Gesetzgebung als ich und meine gewählten Kollegen im schwedischen Parlament.

Mit einer solchen Entwicklung wird der Wille des Volkes, der sich in den Ergebnissen der Parlamentswahlen widerspiegelt, immer mehr an Bedeutung verlieren. Unsere allgemeinen Wahlen in Schweden werden bald für die Entwicklung Schwedens irrelevant werden. Das können wir nicht zulassen.

Zum Beispiel will die EU die Macht über die Migrationspolitik gewinnen, was langfristig bedeuten könnte, dass wir die Kontrolle darüber, wer das Recht hat, innerhalb der schwedischen Grenzen zu leben, zu bleiben und zu arbeiten, völlig verlieren. Dies ist an sich ein zentraler und grundlegender Bestandteil der Definition eines unabhängigen Staates. Auch in der schwedischen Bevölkerung gibt es eine breite Unterstützung für eine strikte Migrationspolitik. Trotzdem besteht derzeit die unmittelbare Gefahr, dass die EU Entscheidungen trifft, die in die entgegengesetzte Richtung gehen, wenn wir nicht handeln.

Wir müssen die Folgen unserer Mitgliedschaft in der EU bewerten und auch prüfen, wie wir die übermässige Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften, die Schweden bisher betrieben hat, begrenzen können. Schweden muss die schwedischen Interessen an die erste Stelle setzen. Wir haben grosse Probleme innerhalb unserer Grenzen, denen wir unsere ungeteilte Aufmerksamkeit widmen müssen. Wir müssen unsere Einstellung zur EU ändern und aufhören, so naiv zu sein, was die europäische Zusammenarbeit angeht.

Andere Mitgliedstaaten nutzen die Union zu ihrem eigenen Vorteil, und wir müssen das Gleiche tun. Es ist an der Zeit, uns für all die Hunderten von Milliarden Kronen zu entgelten, die wir in die EU verlagert haben. Es geht nicht mehr darum, was wir für die EU tun können, sondern was die EU für uns tun kann.

Die 3 Top-Kommentare zu "Schwedendemokraten-Chef Åkesson: «Die EU-Mitgliedschaft wird zur Zwangsjacke. Schweden hat einen grossen Teil seines Selbstbestimmungsrechts aufgegeben. Wir müssen unser Verhältnis zu Brüssel ernsthaft überdenken»"
  • burg

    In Bezug auf die EU wäre noch zu sagen, dass ein großer Teil der deutschen Bevölkerung ebenso kritisch der EU Politik gegenüber steht wie viele Bürger in Schweden, in den Niederlanden, usw.. Die Akteure der EU haben den Völkern ihre demokratischen Selbstbestimmungsrechte "abgenommen", um ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen zu können. Demokratische Prozesse müssen anders laufen.

  • freigeist

    Ich wünsche mir, so etwas von Politikern in allen EU-Ländern zu lesen! Spätestens wenn der Nettozahler Deutschland wirtschaftlich durch die Deindustrialisierung Habecks, oder die Massenmigration in die Sozialsysteme in die Knie geht, muss die Kommission neue Geldquellen für ihre zentralistische Umverteilung suchen.

  • norjas

    Solange D noch "Tafelsilber" hat, werden die EU und die Umverteilungsnutznießer D ausplündern. Gexit und reine Freihandelszone ohne NATO bei politische Neutralität, dann hat D die Chance zu genesen. Alles andere ist Wahnsinn und die den "Geier Sturzflug" nur beschleunigen.