Wir dokumentieren im Folgenden das Votum von Nationalrat Roger Köppel (SVP) zur Motion der Aussenpolitischen Kommission «Institutionelle Regeln für die Teilnahme der Schweiz am EU-Binnenmarkt. Unverzügliche Aufnahme von Verhandlungen mit der EU» vom 9. März 2023. Wir publizieren die Rede inklusive Fragen und Antworten im Wortlaut und ohne jedes Werturteil. Die Redaktion.

Ich sehe mich hier ein weiteres Mal genötigt, den «Krankpetern» im Bundeshaus entgegenzutreten, dieser geballten Zukunftsangst, die sich hier im Saal breitzumachen scheint. Diese Zukunftsangst empfinde ich als geradezu beängstigend.

Die Wirtschaft liege am Boden, unsere Universitäten seien klinisch tot. Erinnern Sie sich? 1992, als ich noch Student an der Uni Zürich war, haben wir die gleichen Sprüche gehört, damals noch vom Bundesrat. Sie erinnern sich sicher an Jean-Pascal Delamuraz, wie er, als müsse er sein eigenes Todesurteil vorlesen, mit leichenblasser Miene kundtat, die Schweiz stehe unmittelbar vor dem absoluten Untergang, während die Diplomaten voraussagten, dass die Schweiz auf den Knien nach Brüssel rutschen und flehen müsse, um wieder einen Brotkrümel oder sonst was vom Tisch geschenkt zu bekommen.

Ich kann Sie beruhigen, ich kann Ihnen diese Zukunftsangst etwas nehmen. Die Schweiz – sie existiert noch! Es gibt ausserhalb dieses Bundeshauses und dieser geschlossenen Abteilungen eine Schweiz, und es gibt sogar eine erfolgreiche Schweiz. Und vielleicht haben Sie es gehört: Diese Schweiz ist so erfolgreich, sie ist so nicht tot, dass sie jedes Jahr einen Zuwanderungsrekord verzeichnet, übrigens auch an unseren Universitäten; diese müssen jetzt über den Numerus clausus nachdenken. Glauben Sie, dass all diese Hunderttausenden, die jedes Jahr in die Schweiz kommen, die an unsere Universitäten kommen, einfach so kommen? All die Professoren – wo ist eigentlich der Massenexodus der Schweizer Professoren?

Den gibt es doch gar nicht, weil niemand bessere Bedingungen und höhere Löhne garantieren kann als unsere Universitäten. Meine Damen und Herren, hören Sie auf, die Schweiz auf Vorrat krankzuschreiben, der Schweiz sozusagen die Todesurkunde – das Sterbemäntelchen umzuhängen –, das Gegenteil ist der Fall.

Jetzt höre ich bei Kollege [Roland] Fischer das gefährlichste Wort in der Politik. Herr Kollege, ich schätze Sie – ich muss das sagen, es ist immer angenehm mit Ihnen zu diskutieren, weil es dann sogar mir einmal gelingt, das bessere Argument in die Runde zu werfen.

Wissen Sie, was das Problem ist? Sie sagen, die Schweiz hat keine Alternative – wir haben keine Alternative! Ihre Kollegin hat es wiederholt, dass wir keine Alternative hätten. Was soll das nun wieder? Sind wir jetzt in der Alternativlosigkeit von Frau Merkel angelangt, in der Hoffnungslosigkeit, im schwarzen Tunnel? Nein, die Schweiz, die Demokratie, ist die Staatsform der Alternativen – und es gibt immer eine Alternative. Jede Alternative ist besser als das, was Sie vorhin vorgeschlagen haben.

Ich komme zum zweiten Wort: unverzüglich. Sie sagen, die Schweiz – der Bundesrat – muss jetzt unverzüglich Verhandlungen aufnehmen. Ich fragte einmal einen der berühmtesten Diplomaten der Schweiz, August R. Lindt – unter anderem Botschafter in Washington und ehemaliger Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge –, in einem Interview, was die grösste Qualität der Schweiz sei. Wissen Sie, was mir dieser grossartige Berner sagte? «Nume nid gsprängt, Herr Köppu, nume nid gsprängt!» Ich habe das leider nur teilweise beherzigt – aber er hat recht. Die Langsamkeit ist ein Trumpf unseres Landes. Hören Sie mit der Unverzüglichkeit auf! In einer Krise darf man nicht beschleunigen, in einer Krise darf man das Bewährte nicht über Bord werfen, und man darf den Bundesrat auch nicht zwingen, einen falschen europapolitischen Verhandlungskurs vorantreiben zu müssen, während gar niemand bereit ist, diese Verhandlungen zu führen.

Und der letzte Punkt: Wir dürfen die Schweiz nicht noch mehr fesseln mit institutionellen Verbandelungen, die nicht funktionieren. Wir müssen die Schweiz entfesseln. (Natel läutet) Es gibt eine unabhängige Schweiz, die auch auf gleichberechtigter Augenhöhe mit der EU verhandeln kann.

Sehen Sie, ich habe meine eigene Redezeit überschritten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Lehnen Sie dieses Vorhaben ab!

Frage von Roger Nordmann (SP):

Lieber Kollege Köppel, wenn die Konsolidierung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU so gefährlich ist, wieso kandidieren Sie nicht mehr, um diese Gefahr abzuwenden?

Antwort von Roger Köppel (SVP):
Ja, da ich muss Ihnen sagen, das habe ich mich bei der Debatte vorhin auch gefragt. Ich habe mir gesagt: Es ist absolut unverantwortlich gegenüber diesem Parlament, dass ich im nächsten Herbst gehe. Aber ich kann Ihnen sagen, Sie werden mich nicht loswerden, Herr Kollege Nordmann; ich werde Ihnen aus der Weltwoche heraus noch viel genauer auf die Finger schauen, darauf können Sie sich verlassen! (Heiterkeit)