Träger von Wissenschaftspreisen sind dem Normalsterblichen meist kein Begriff. Die Gekürten sind im Labor zugange. Ihre Verdienste sind selten ein öffentliches Thema.

An der ETH Zürich ist das in diesem Jahr anders: Ihre höchstdotierte Auszeichnung, der Rössler-Preis, geht an die Mathematikerin Tanja Stadler. Preissumme: 200.000 Franken.

Stadler kennt jeder Zeitungsleser. Sie war die letzte Präsidentin der Science Task Force zu Corona und überaus auskunfts- und Twitter-freudig.

Der Preis habe aber nichts zu tun mit Covid-19, hält die Vergabekommission der ETH ausdrücklich fest. Gewürdigt würden «ihre grossartigen wissenschaftlichen Leistungen».

Bei Tanja Stadler bestehen diese daraus, den Reproduktionswert von Viren zu ermitteln. Der sogenannte R-Wert zeigt, wie viele Personen von einem Virenträger angesteckt werden. Das war die Vorlage zur Durchsetzung von Massnahmen.

Ob es ohne Corona für die 200.000 Franken gereicht hätte, kann niemand überprüfen. Aber Stadlers permanente Öffentlichkeit war sicher eine Steilvorlage für die ETH. Wer kannte zuvor schon den Rössler-Preis?

Gestiftet wird dieser vom Mathematiker Max Rössler. Er vermachte der ETH 2008 zehn Millionen Franken. Wie kommt ein Wissenschaftler zu so viel überschüssigem Geld?

Nach seiner akademischen Laufbahn ging Rössler in die Vermögensberatung. Statt Flugbahnen für die Raumfahrt zu berechnen, setzte er sein Können fortan dafür ein, das Geld reicher Leute zu vermehren. Das hat ihm offenbar selbst auch nicht geschadet.

Rössler war an der Preisverleihung anwesend. Es besteht die Hoffnung, dass er bei dieser Gelegenheit auch der Preisträgerin Tanja Stadler einen Umstieg in die Finanzbranche schmackhaft gemacht hat.