Der Blick beförderte die Geschichte rechtzeitig vor dem 1. August zum Hauptthema: Beim traditionellen Bergfest auf dem Weissenstein ignorieren die Schlussgang-Teilnehmer Domenic Schneider und Matthias Aeschbacher die Schweizer Nationalhymne und erfrischen sich stattdessen am Holzbrunnen.

Handelt es sich dabei um einen freundeidgenössischen Tabubruch? Oder war es bloss ein Versehen, das zur sommerlichen Skandalgeschichte aufgebauscht wurde?

So oder so: Durch die Szene geht ein Raunen. Bis jetzt galten die Schwinger als letzte Bastion der helvetischen Treue – als Widerstandsnest gegen die Globalisierung und Beweis des ungefilterten Patriotismus.

Aber wenn selbst die tapferen Eidgenossen den Schweizerpsalm nicht mehr mitsingen, ist dies, als würde das Schweizer Landesmuseum nach Katar auswandern oder Christoph Blocher seine Albert-Anker-Sammlung nach Hongkong verkaufen.

Mit Nöldi Forrer, dem König von 2001 und mit 151 Kranzgewinnen der erfolgreichste Schwinger der Geschichte, schlägt sich nun ausgerechnet der populärste Sägemehl-Athlet auf die Seite von Schneider und Aeschbacher.

Das Abspielen der Nationalhymne vor dem Schlussgang sei auf dem Weissenstein eine Ausnahme. Deshalb hätten die beiden Athleten wohl gar nicht damit gerechnet, dass sie mitsingen müssten, so Forrer.

Während der spätere Festsieger Aeschbacher diese These bestätigt und sagt, er habe von der ganzen Sache gar nichts mitbekommen, sieht der zweifache Eidgenosse Stefan Burkhalter ein grundsätzliches Problem. Nach neun Teilnahmen am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest sagt der 48-jährige Thurgauer: «Die Hälfte der Schwinger beherrscht den Text unserer Hymne gar nicht.» Deshalb dürfe sich niemand gegenüber Fussballern als Oberlehrer aufspielen.

Aufgrund seiner grossen Erfahrung ist davon auszugehen, dass Burkhalter richtig liegt. Trotzdem hätte er besser nichts gesagt. Schliesslich lebt auch die hehre Welt der Schwinger von schönen Illusionen – und dem Traum einer heilen Welt, in der die Schweizer Hymne mit dem Brustton der Überzeugung in die Welt hinausgetragen wird.