Seit dem 3. März sind wir nun schon in der Schweiz. Und wir haben hier Gastfreundschaft und Solidarität erlebt, wie wir sie nie erwarte hätten. Unser Ziel war aber von Anfang an: Entweder so schnell wie möglich zurück – oder in der Schweiz bleiben und von den Sozialleistungen unabhängig leben.

In der Zürcher Vorortgemeinde Maur erhielten wir – wie auch andere Landsleute – grosszügige Unterstützung. Nachdem wir anfänglich im Haus meiner Cousine gewohnt hatten, konnten wir in eine Sozialwohnung umziehen. Weil aber mein Mann Anatoli unerwartet schnell bei der Firma Planzer im Logistikzentrum die Möglichkeit erhielt, zu arbeiten, konnten wir uns bereits nach zwei Monaten nach einer regulären Wohnung umschauen. Und siehe da – wir wurden fündig. Nun wohnen wir in einer Vierzimmerwohnung, die wir selber finanzieren können.

Anatoli ist eigentlich gelernter Lastwagenchauffeur. Um in der Schweiz in diesem Beruf zu arbeiten, muss er aber zuerst die Sprache beherrschen. Deshalb büffeln wir momentan intensiv Deutsch. Ich meinerseits habe mich per Inserat als Haushaltshilfe angeboten – und erhielt in kurzer Zeit mehrere Angebote. Deshalb weiss ich nun auch über das Schweizer AHV-System bestens Bescheid. Für ukrainische Verhältnisse verdienen wir in der Schweiz sehr gut. Die Kosten relativieren dies aber stark. Vor allem bei der Krankenkassen-Prämie mussten wir mehr als einmal leer schlucken.

Unsere zehnjährige Tochter Mascha hat sich in der Schweiz bestens eingelebt – und schon viele Freundinnen gefunden. Sie kann es sich gut vorstellen, hier zu bleiben. Anders sieht es bei ihrem Bruder Mischa (17) aus. Er vermisst seine Freunde in der Heimat sehr – und würde lieber heute als morgen nach Hause.

Doch dafür ist es leider noch zu früh. Hört man sich bei Familien um, die in die Ukraine zurückgekehrt sind, klingt es wenig ermutigend: Grossteile der Infrastruktur sind zerstört, die Versorgungslage ist prekär, und Ausgangsperren verhindern eine Rückkehr zur Normalität. Und über allem schwebt das Gefühl der Angst. Das betrifft auch mich in der sicheren Schweiz.

Wenn ich nachts die Augen schliesse, sehe ich immer wieder die Bilder von unserer Flucht – als wir am Strassenrand übernachten mussten und die Militärfahrzeuge in Richtung Front rollen sahen. Leider ist der Krieg noch nicht zu Ende – weder in Kiew noch in unserer Heimatstadt Sumy im Nordosten des Landes. Wir wünschen uns nichts mehr, als dass sich dies ändert. Doch solange dies nicht der Fall ist, bleiben wir in der Schweiz – und sagen aufrichtig Danke, dass wir hier eine echte Chance erhalten haben und im Frieden leben können.