Wenn künftige Historiker die Gründe für Putins Angriffskrieg erforschen, werden sie in seiner Rede vor dem St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum am vergangenen Freitag fündig.
Entnazifizierung, Demilitarisierung, Novorossija und Russische Welt – alles nur Tortenguss fürs lokale Publikum.
Vor den internationalen Vertretern (kaum jemand aus dem globalen Westen, die meisten aus dem «Rest der Welt») öffnet der russische Präsident sein Herz. Die disruptiven Stürme, die jetzt über die westlichen Volkswirtschaften hereinbrächen, hätten diese sich selbst zuzuschreiben: ihren «geostrategischen Ambitionen».
Die Ukraine ist nur Kriegsschauplatz.
Was Putin irgendwann vor dem 24. Februar geplatzt ist wie der buchstäbliche Kragen, ist der lange aufgestaute Zorn angesichts einer Weltordnung, die nicht nur aus russischer Sicht über die Massen US-lastig ist. Das erklärt die abwartende Neutralität der Chinesen, Inder und vieler anderer in Asien, Afrika und Südamerika.
Putin hat Russland zum Vorreiter einer Zerstörung gemacht, die er selbst wahrscheinlich für schöpferisch hält: die alte Ordnung so zu erschüttern, dass sie am Ende einer neuen Ordnung weichen muss. Das ist die eigentliche Triebkraft hinter der Invasion im Nachbarland.
Den Zerstörungsauftrag hält der russische Präsident jetzt schon für erfolgreich durchgeführt. Man erkennt es am ersten Satz seiner Rede: Es wäre ein Fehler, zu glauben, die stürmischen Veränderungen seien vorübergehend und alles kehre wieder in normale Bahnen zurück.
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Interview von Matthias Steinbrecher mit Klaus v. Dohnanyj (2.6.22): «Der Krieg den Putin begonnen hat, war völkerrechtswidrig. Das hätte er nie tun dürfen. Dass es Biden im Dez. 21 einfach abgelehnt hat über die Anträge Russlands zu sprechen, war ein schwerwiegender Fehler. Der Westen trägt ein Teil Mitschuld.» Im gleichen Interview sagt Klaus v.D.: «Auf dem vom Westen eingeschlagenen Weg war der Krieg faktisch unvermeidlich». Man hat gehofft, dass Putin es nicht wagt das Unvermeidliche zu tun.
Schade. Irgendwie hatte ich erwartet zu erfahren, warum Putin die Ukraine angegriffen hat, ohne den ständigen Verweis auf die Interessen der Strategischen Sicherheit zu hören. Anstatt dessen gehen wir soweit, ihn zu einem Supervillain wie im James Bond Roman zu machen, dessen Ziel es ist, die Ordnung der Welt zu zerstören und durch eine neue zu ersetzen. Der böse Ivan eben.