BrĂŒssel

Meine Bekannten und selbst einige meiner engsten Freunde sind immer wieder ĂŒberrascht, wenn sie feststellen, dass ich mich ĂŒber den Wahlerfolg populistischer Parteien in Italien, den Niederlanden, Schweden oder Finnland richtig freue. Noch ĂŒberraschter sind sie und teils schockiert, wenn ich erklĂ€re, dass ich mich angesichts der politischen VerhĂ€ltnisse in Europa gern als Populisten bezeichne. Aus ihrer Sicht kann es keine Gemeinsamkeit geben zwischen einem emeritierten Soziologieprofessor wie mir und den «primitiven» AnhĂ€ngern populistischer Parteien.

Bis zum 2. August 2018 war mir nicht klar, dass ich ein Populist bin, und ich habe mich auch nicht als einen solchen bezeichnet. An jenem schicksalhaften Tag hielt ich im Amsterdamer Kulturzentrum De Balie einen Vortrag zum Thema «Die kulturelle Wende verstehen». Mir ging es darum, den gĂ€ngigen Vorwurf, der Populismus sei eine Gefahr fĂŒr die Demokratie, Ausdruck von Autoritarismus und Zeichen einer rechtsextremen, wenn nicht gar faschistischen Gesinnung, in Frage zu stellen. Dieser hysterischen Ansicht trat ich mit dem Argument entgegen, dass die AnhĂ€nger des Populismus im Grunde nur gehört werden wollen.

Kritik als Verbrechen

WĂ€hler populistischer Parteien, erklĂ€rte ich, wollten ernstgenommen werden, am politischen Diskurs teilnehmen und von den MĂ€chtigen nicht lĂ€nger ignoriert werden. Im Laufe der anschliessenden Diskussion wies ich auf den Zusammenhang zwischen dem Aufstieg verschiedener populistischer Bewegungen und dem Ruf nach Demokratie hin. Einige Zuhörer waren erstaunt, dass ich der Demokratie so viel Bedeutung beimass. Ich betonte, dass Demokratie und das Festhalten an demokratischen Werten wichtiger seien als das Resultat. Das fanden einige Leute offenbar schockierend. Ihre Sorge, es könnten möglicherweise die falschen Leute gewĂ€hlt werden, wog mehr als das Recht der BĂŒrger, die politische Entwicklung ihrer Gesellschaft selbst zu bestimmen.

Die antipopulistische Hysterie grĂŒndet auf der Verachtung gegenĂŒber der Mehrheit und der Demokratie.

In diesem Moment erkannte ich, dass die antipopulistische Hysterie auf der Verachtung gegenĂŒber der Mehrheit und den Regeln der Demokratie grĂŒndet. Ich beschloss, mich als Populisten zu bezeichnen und den Bestrebungen des Populismus eine Stimme zu geben.