Das zynische Spiel mit den Gefallenenzahlen verrät uns einiges über die Rolle der Medien im Ukraine-Kkrieg: Am Tag der Teilmobilmachung nannte Sergei Schoigu, der russische Verteidigungsminister, die Zahl von 5937 Toten auf russischer Seite.

Was ihm unverzüglich den Spott seiner Landsleute eintrug, könnte nach russisch-formaler Logik durchaus die Wahrheit gewesen sein.

Der Verteidigungsminister spricht für die Armee – nicht für die Nationalgarde, die der Präsidialverwaltung untersteht, nicht für das «private» Militärunternehmen Wagner, nicht für die Verbände des Tschetschenen-Führers Ramsan Kadyrow und nicht für die Truppen der «Volksrepubliken» Donezk und Lugansk.

Auch wenn die Ukraine im September die Zahl von über 50.000 russischen Gefallen genannt hat, könnten die westliche Schätzungen von 15.000 bis 25.000 durchaus zutreffen.

Wie viele Opfer verzeichnet die Gegenseite?

Kiew selbst veröffentlicht keine Zahlen. Ob man Sergei Schoigu glauben darf? Er spricht von 61.207 gefallenen Ukrainern, scheint es also ganz genau zu wissen.

Die westlichen Medien sparen das Thema aus. Nur gelegentlich ist zu lesen, dass die ukrainischen Verluste deutlich höher sein könnten als die russischen.

Dutzende Korrespondenten sind in der Ukraine, doch die Mühe, frisch ausgehobene Gräber zu zählen, scheint sie abzuschrecken. Oder möchte man die ukrainischen Erfolge herausstreichen, nicht die ukrainischen Opfer?

Unter dem westlichen Publikum wächst derweil das Misstrauen: Man glaubt den Russen nicht, man glaubt den Ukrainern nicht, und man glaubt auch den Medien nicht.

Wenn es aber so ist, dass im Westen ein geschöntes Bild der ukrainischen Kriegsführung vermittelt wird – was bedeutet das für die politischen Entscheider?

Parteilichkeit ist immer mit Risiko verbunden. Jeder möchte auf den Sieger setzen. Aber wird der Sieger auch der Sieger sein?

Gerade weil die anstehenden Entscheidungen von solcher Tragweite sind – Lieferung von Panzern und schweren Waffen, Einschätzung von Putins Nuklear-Drohung –, wäre eine objektive und distanzierte Berichterstattung vonnöten.