Öffentlichkeit, Feminismus und auch das Bildungssystem sprechen unablässig von der Dringlichkeit, «traditionelle Geschlechterrollen aufzubrechen». Und die Rollen haben sich geändert, zugunsten von Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Frauen sind in traditionell männliche Rollen geschlüpft, machen Karriere, verdienen viel Geld, Männer bleiben zu Hause, kümmern sich um Kinder und Haushalt. Oder beide arbeiten und leben, was häusliche Pflichten angeht, sogenannte Geschlechter-Fluidität; mal kocht er, mal sie, Bügeln, Waschen und Staubsaugen teilt man untereinander auf. So ungefähr sieht der Prototyp einer modernen Beziehung aus. Diese vollständig gelebte Gleichberechtigung wirkt sich doch gewiss auch ausgesprochen positiv auf das Sexualleben aus? Eher nicht.

Das Aufweichen der häuslichen Rollen hat offenbar einen «unerwartet negativen» Impact auf die erotische Dynamik bei Paaren. Eine Studie von 2014, publiziert in der New York Times (NYT), hat ergeben, dass Paare mit traditioneller Rollenverteilung ein viel glücklicheres Sexleben führen. Erledigt der Ehemann klassisch weibliche Aufgaben wie Waschen, Bügeln oder Staubsaugen, haben die Paare 1,5 Mal weniger Sex im Monat als Paare, bei denen die Ehemänner typisch männliche Jobs verrichten, wie Auto reparieren oder Müll runtertragen. Es betrifft aber nicht nur die Häufigkeit der Schäferstündchen. «Je traditioneller die Arbeit aufgeteilt wurde [. . .], desto grösser war die sexuelle Zufriedenheit seiner Frau.» Auweia. Diese Enthüllung dürfte das Menschenbild der hochmotivierten «Geschlechterrollen aufbrechen!»-Verfechter ins Wanken bringen.

Natürlich ist bei Umfragen zu Sex eine gewisse Skepsis angebracht; man ist nicht immer ganz ehrlich in seinen Antworten. Aber auch sämtliche Gespräche unter Frauen, die ich seit Jahren führe, zeigen dasselbe: Ein mit Hingabe staubsaugender Mann löst bei uns keine funkensprühende Erregung aus. Oder einer, der sich übers Bügelbrett beugt. Mit der Nadel im Socken rumstochert. Es sind etwa dieselben Gefühle jenseits von Erotik, die eine Frau in einem Mann entfacht, wenn sie im Restaurant nur einen Salat ohne Sauce bestellt oder ihm bei jeder Gelegenheit in Erinnerung ruft, was er alles falsch macht.

Zeichnen sich jedoch seine Muskeln beim Schleppen von Zügelkisten unter dem verschwitzten Shirt ab, läuft der Pulsschlag auf Hochtouren. Ja, das Klischee lässt grüssen, aber warum wohl finden wir Männer sexy, die anpacken können? Die handwerklich begabt sind? Intuitiv Aufgaben erledigen, die Frauen mangels Kraft, Grösse oder Geschick nicht erledigen können oder wollen? Weil dieses instinktive «Kümmern» Männlichkeit ausstrahlt. Er übernimmt diese, für ihn maskuline Verantwortung, packt zu und löst das Problem für uns. Das macht ihn in den Augen der meisten Betrachterinnen attraktiv.

Frauen wollen keinen Mann, der im Haushalt zu nichts nütze ist, er soll schon mithelfen, aber eben, auf geschlechtstypische Weise. Wie die NYT-Autorin anmerkt, wurden «wir in dem Versuch, genderneutral zu sein, möglicherweise genderkastriert». Das «wir» trifft zwar auf viele Frauen nicht zu; eine genderneutrale Rolle einzunehmen, wäre so ziemlich das Letzte, was mir für eine glückliche Beziehung vorschwebt. Ich drücke meine Weiblichkeit nicht nur gerne aus, ich übernehme mit Vergnügen Kochen oder Knöpfeannähen – und überlasse ihm dafür das Gassigehen mit Pablo bei Wind und Regen, das Befördern der Hausspinne an die frische Luft und das Handwerkliche. Ansonsten beschreibt sie den Knackpunkt ganz gut.

Wie eine Paartherapeutin dazu in der NYT erklärt, seien «die Werte, die eine gleichberechtigte Beziehung ausmachen, nicht unbedingt dieselben, die sexuelles Verlangen steuerten». In anderen Worten: Das erotische Verlangen steht im Gegensatz zu manch sonstigen weiblichen Bedürfnissen. Und es ist doch auch so, dass traditionelle Geschlechterrollen nicht per se schädlich sind und verteufelt werden sollten, in gewissen Bereichen haben sie sogar ihre Vorteile. Umgekehrt ist nicht jeder Aspekt von gelebter Gleichberechtigung förderlich für jede Lebensebene. Fairerweise würde man darauf genauso prominent hinweisen, wie man stets für das Bekämpfen der klassischen Rollenverteilung weibelt.