Es gibt neues Leben in der Klimadebatte, neue Erklärungsversuche. Bisher beherrschen die mehrtausendseitigen Berichte des Uno-Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) die Szene. Von diesen kommen in der Öffentlichkeit zwar praktisch nur die Zusammenfassungen für Politiker und Medienpräsentationen zur Sprache, dafür mit voller Zuspitzung. Die da vorgestellten Szenarien und Aufrufe erzeugen den Eindruck, als rase die Erde auf den Abgrund oder auf eine Mauer zu – oder sei am Verbrennen; fatale Kipppunkte kämen näher, dann der Klimazusammenbruch – die Menschheit müsse sofort umkehren. So wie die Prognosen vorgebracht werden, bleibt kaum Raum für den Einwand, die Zusammenhänge des Klimawandels seien zum Teil unerforscht und die IPCC-Modelle nicht sehr erfolgreiche Versuche, diese zu erklären.

Automatischer Stabilisator

Nun aber: Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) veröffentlichten soeben in der Zeitschrift Science Advances (16.11.2022) eine Studie, die darauf hindeutet, dass die Erde über einen stabilisierenden Rückkopplungsmechanismus, also einen Ausgleichsmechanismus verfügt, der offenbar über Hunderttausende von Jahren verhindert hat, dass das Klima quasi abstürzte und der bewirkte, dass die globalen Temperaturen innerhalb eines stabilen Bereichs blieben, der die Erde bewohnbar hält.

Als wahrscheinlichen Mechanismus sehen die Wissenschaftler die sogenannte Silikatverwitterung. Bei diesem Vorgang führt die Verwitterung von Silikatgestein zu chemischen Reaktionen, die CO2 an die Mineralien binden, so dass das Gas aus der Atmosphäre schliesslich in die Sedimente der Meere gelangt. Höhere CO2-Konzentrationen oder Temperaturen in der Atmosphäre beschleunigen die Silikatverwitterung, was sodann durch Rückkoppelung den CO2-Gehalt der Luft senkt.

Wissenschaftler vermuten laut den Angaben seit langem, dass diese Silikatverwitterung eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Kohlenstoffkreislaufs der Erde spiele. Damit wäre eine Art automatischer Stabilisator quasi in die Geologie der Erde eingebaut, der die Kohlendioxid-Konzentration und wohl auch die globale Temperaturentwicklung unter Kontrolle hält.

Wie die Studienautoren Constantin W. Arnscheidt und Daniel H. Rothman schreiben, ist die Frage, wie sich das Klima der Erde auf geologischen Zeitskalen stabilisiert, wichtig für das Verständnis der Erdgeschichte, der langfristigen Folgen des menschengemachten Klimawandels und der Bewohnbarkeit des Planeten.

Sie gingen so vor, dass sie lange Daten-Zeitreihen mit mathematischen Verfahren analysierten und auf Muster und Gesetzmässigkeiten hin abklopften. Zeiträume bis zu Dutzenden von Millionen Jahren kamen unter die Lupe, um zu eruieren, ob es langfristige stabilisierende Rückkopplungen im Klimasystem gibt oder nicht. Es zeigt sich: Ob kürzere oder sehr lange Zeitskalen, ob 4000 oder 400 000 Jahre – die Schwankungen wurden mit der Verlängerung nicht grösser. Die Deutung ist, dass da stabilisierende Mechanismen wie etwa die vermutete «Verwitterungsrückkopplung» am Werk waren, welche allzu grosse Ausschläge eindämmten.

Bezogen auf noch längere Zeitskalen, nehmen die Schwankungen laut den Angaben zu, was auf mögliche tektonische oder biologisch bedingte Veränderungen zurückzuführen sein könnte. Diese längeren Schwankungen werden offenbar nicht gedämpft. Die Autoren ziehen daraus den Schluss, dass Zufall und Glück immer noch eine nicht zu vernachlässigende Rolle bei der Aufrechterhaltung der langfristigen Bewohnbarkeit der Erde gespielt haben könnten.

Constantin W. Arnscheidt and Daniel H. Rothman: «Presence or absence of stabilizing Earth system feedbacks on different time scales». Science Advances Vol. 8/2022.