Wie unter dem Brennglas verdeutlichen die Corona-Indiskretionen die Konflikte einer symbiotischen Beziehung zwischen Politik-PR und Journalismus.

Der Fall legt die gegenseitigen Ermöglichungen, Beeinflussungen und Abhängigkeiten von Medien und Politik offen.

Da spinnt ein gefitzter «Spindoctor» aus dem Eidgenössischen Departement des Innern ein komplexes Beziehungsnetz zu einem deutungsmächtigen Medienunternehmen und ermöglicht so einen Journalismus, der den Interessen seines Ministers nützt und zugleich – mindestens publizistische – Erwartungen des exklusiv bedienten Medienhauses zu befriedigen scheint.

Der institutionalisierte Kommunikationskanal bringt allerdings auch Flurschäden dieser andauernden Win-win-Beziehung mit sich. Schon nur der Anschein einer Abhängigkeit sowie der schwer aus der Welt zu schaffende Verdacht auf Weisungen aus der Chefetage an die Redaktion schaden dem Image des Journalismus.

Und sie setzen Ringier unter Rechtfertigungsdruck, zumal der CEO während der Pandemie seine Redaktionen aufgefordert hat, medial die Regierung zu unterstützen. Der Chefredaktor hat in einer Stellungnahme mit Ausrufezeichen die redaktionelle Autonomie in Anspruch genommen und verteidigt. Die Stellungnahme aus der Redaktion genügt aber nicht. In der Krise will man die Unternehmensspitze hören, zumal in dem Fall der Stein des Anstosses von dort aus rollt.

Auf den Punkt gebracht: Wie wäre es mit einer Erklärung dazu, warum die Redaktionen von Ringier bis heute davon absehen, neben wenigen Agenturberichten der Leserschaft selbst recherchierte Geschichten zum brisanten Fall der Corona-Indiskretionen vorzulegen? Das wäre gelebte journalistische Autonomie. Dass diese Metakommunikation schwerfällt, verdeutlicht den selbst verursachten Konflikt einer fast schon unverfrorenen symbiotischen Beziehung.

Vinzenz Wyss ist Professor für Journalistik. Er lehrt an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.