Die Franzosen bekommen, was sie partout nicht wollten: die Neuauflage des Duells von 2017. Zwischen (brauner) Pest und Cholera müssen sie am Sonntag wählen. Gewinnt der Hass auf Macron oder die Abscheu vor Marine Le Pen?

Pétain, der faschistische Diktator von Hitlers Gnaden, und Putin bestimmten den Wahlkampf. Regie führte die Rückkehr der verdrängten Kriegsvergangenheit. Das Finale wird zum antifaschistischen Exorzismus.

Vor zwanzig Jahren kam Jean-Marie Le Pen in die Stichwahl. Zwischen den Wahlgängen inszenierten die Franzosen ein Remake des Widerstands, der an den Zweiten Weltkrieg anknüpfte. 1940 war Pétain von 85 Prozent der Abgeordneten zum Diktator gewählt worden.

Die Wiederkehr des Faschismus wurde 2002 mit 82 Prozent der Stimmen für Jacques Chirac verhindert.

Seither spielt Frankreich russisches Roulette mit dem Faschismus. Und der Ausgang droht von Wahl zu Wahl knapper zu werden.

2017 siegte Macron mit 67 Prozent.

Vor einem Jahr gab es Umfragen, die Marine Le Pens Sieg prophezeiten. Im laufenden Wahlkampf brachte sie es auf 49 Prozent.

Doch seit ihrem Einzug in die Stichwahl geht der Spuk wieder los.

Le Monde berichtet von Präfekten, die Angst haben, einem Regime dienen zu müssen wie einst ihre Vorgänger, die unter der deutschen Besatzung Razzien gegen Juden organisierten.

Ehemalige Ministerinnen für die Gleichstellung sprechen Marine Le Pen das Recht ab, sich als Feministin zu bezeichnen.

Im Voraus wird ihr unterstellt, sie würde als Präsidentin die Verfassung brechen. Dabei war es der Zyniker Mitterrand gewesen, der das Wahlrecht änderte, um den Front National zur politischen Kraft zu machen. Die Spaltung der Rechten war für ihn die beste Massnahme zur Machterhaltung der Linken.

Innenminister Gérald Darmanin verteidigt den als «Präsidenten der Reichen» verschrienen Macron: «Mit Le Pen werden die Armen vielleicht sterben.»

Für Alice Coffin, die LGTB+-Aktivistin im Pariser Stadtparlament, führt eine Wahl von Le Pen «konkret zum Tod der militanten Feministinnen. Im wörtlichen Sinn».

Mit der Sterbehilfe vergleicht der Philosoph Frédéric Worms die Wahl: Le Pen sei noch schlimmer als der Tod.

Dabei ist es allerdings keine Frage, wer am Sonntag gewinnt.

Laut letzten Prognosen bringt es Macron auf 56 Prozent der Stimmen, Le Pen immerhin auf beachtliche 44 Prozent.