Im EU-Raum steigt die Inflation auf zehn Prozent, in einzelnen Ländern auf deutlich mehr – und in der Schweiz sinkt sie auf knapp über drei Prozent pro Jahr. Was passiert da?

Lassen wir die unterschiedlichen Inflationsdefinitionen und die Art, wie die Konsumentenpreise konkret gemessen werden, ausser Acht, gibt es für diese unterschiedlichen Preisentwicklungen nur eine Erklärung: das Verhalten der Europäischen Zentralbank (EZB) respektive das Verhalten der Schweizerischen Nationalbank (SNB), das unterschiedlicher nicht sein könnte.

Zwar haben beide Zentralbanken seit der Finanzkrise in nie gekanntem Umfang Wertpapiere gekauft, welche die Bilanz der SNB von weniger als hundert auf über tausend Milliarden Franken ansteigen liessen. (Das entspricht etwa einem Viertel des gesamten Volksvermögens der Schweiz!)

Aber die EZB hat Staatsobligationen gekauft, mit denen Staatsausgaben der EU-Länder finanziert wurden, während die SNB im Wesentlichen keine Staatsausgaben finanziert hat.

Zwar hat auch die SNB in der Schweiz ein Inflationspotenzial (gemessen an einer breiten Geldmengendefinition) geschaffen. Aber sie hat es in der Hand, dieses wieder abzubauen und die Inflation unter Kontrolle zu halten, wenn sie sich entschliesst, ihre Wertschriften wieder zu verkaufen.

Es ist zu erwarten, dass sich dabei der Schweizer Franken auf- und insbesondere der Euro abwerten werden. Aber das ist im Rahmen der Inflationsdifferenzen kein echtes Problem für die Exportindustrie in der Schweiz.

Etwas könnte die SNB vom guten Pfad, die Inflation unter Kontrolle zu halten, abbringen: der Drohfinger der EZB. Diese wird es angesichts ihrer höchst ungemütlichen Lage wohl kaum ohne vernehmbare Drohungen akzeptieren, dass die SNB im grösseren Stil Euro-Anleihen verkauft und den Druck auf die Euro-Zinsen nach oben weiter erhöht.

Wie es weitergeht? Die Lage ist vor allem für die EZB ohne Zweifel mehr als ungemütlich. Und die Lage wird sich weiter zuspitzen, wenn die Zinsen ansteigen. Sehr lange wird es die EZB bei dieser Inflation nicht mehr schaffen, gleichzeitig Strukturpolitik im Süden Europas und die Vermeidung eines Zinsanstiegs unter einen Hut zu bringen.

Was das für die Banken und die Staaten der Euro-Zone alles bedeutet, mag ich mir am frühen Morgen lieber nicht vorstellen. Und die Schweiz ist zu klein, um sich von diesen Entwicklungen längerfristig abzukoppeln. Es wird «interessant» bleiben.