Soll man brutale Bilder vom Krieg, von Leichen auf der Strasse bringen?

Die Antwort liegt auf der Hand: Sie liegt in der heftigen Reaktion der ganzen Welt auf die Bilder von den massakrierten Zivilisten in Butscha. Gäbe es diese Bilder nicht, würde der Krieg und die Unterstützung der Ukraine durch Europa vielleicht eine andere Wendung nehmen.

Die Bilder, so schockierend sie sind, waren notwendig. Bilder berühren, Zahlen, auch grosse Zahlen von Toten, lassen einfach kalt. Erstaunlich ist nur, dass die Russen die Leichen nicht sofort von der Strasse entfernt haben, wissen sie doch, was es heisst, wenn die Bilder um die Welt gehen. Da waren die Amerikaner im Irak viel cleverer.

Wenn Redaktionen schreckliche Bilder aus einem Krieg erhalten, müssen sie damit vorsichtig umgehen. Wir bei der Schweizer Illustrierten haben aus dem früheren Jugoslawienkrieg Bilder von einem Massengrab erhalten, bei denen unser Grafiker sofort gesagt hat, das sei ein Fake. Und er konnte es nachweisen.

Bei den Bildern aus dem Irakkrieg hat die Leserschaft der Schweizer Illustrierten vor allem bei einem Bild heftig reagiert und protestiert: Es zeigte ein auf dem Rücken liegendes totes Pferd. Das hat die Menschen offenbar mehr berührt als tote irakische Männer, Frauen und Kinder.

Es waren immer schockierende Bilder, die einen grossen Einfluss auf die Meinungsbildung hatten, mehr als jedes mahnende Editorial: Im Vietnamkrieg war es das 9-jährige nackte Mädchen, von Napalm verbrannt, das zum Fotografen rennt. Und das Bild vom Polizeichef Saigons, der einen Vietcong auf offener Strasse mit einem Pistolenschuss hinrichtete. Die haben den Protest gegen den Krieg angeheizt.

Das Problem ist die ständige Wiederholung, man mag es nicht mehr sehen. Darum ist oft ein einziges Bild, das das Grauen des Krieges zeigt, besser als ein ganzer Haufen. Und: Kein Fotoreporter sollte sein Leben riskieren für ein «heisses Bild».

Ich wollte eigentlich immer an die Polizeibilder rankommen und sie veröffentlichen, die den grauenhaften «Krieg» auf den Schweizer Strassen dokumentieren. Ich durfte ein paar sehen, schreckliche Aufnahmen von geköpften Motorradfahrern, von Autolenkern ohne Füsse, ganzen Familien, die in Wracks eingeklemmt waren.

All das durfte nie veröffentlicht werden, weil der Autoverkehr mit seinen Unfällen und Toten als normal galt. Weil niemand verunsichert werden sollte. Wir lasen immer nur die Zahlen.

Sobald der «Krieg» näher kommt, die Menschen erkennbar werden, unsere Nachbarn sein könnten, möchten wir die Bilder nicht mehr sehen.