«Die Schweiz hat bereits heute eine Rechtsgrundlage dafür, russische Gelder für die Ukraine zu verwenden.» Das behauptet Rechtsprofessor Mark Pieth im Tages-Anzeiger.

Er beruft sich dabei auf einen Strafgesetzartikel, nach dem Vermögen eingezogen werden können, welche «der Verfügungsmacht einer kriminellen und terroristischen Organisation unterliegen».

Was hat das mit den beschlagnahmten Vermögen reicher Russen in der Schweiz zu tun? Da baut Pieth eine mehr als wackelige Brücke.
Zunächst müsse das Bundesgericht «den russischen Kremlchef Putin und seine Getreuen als kriminelle Organisation einstufen».

Dagegen wendet der Strafrechtsprofessor Marcel Niggli ein: «Mir erschliesst sich nicht, inwiefern der Staat Russland eine Organisation sein sollte, die den Zweck hat, Gewaltverbrechen zu begehen. Gilt dasselbe für alle Staaten? Oder nur für solche, die Angriffskriege führen, also zum Beispiel auch für die USA?»

Was haben schliesslich reiche Russen in der Schweiz damit zu schaffen?

Nun kommt die Verlängerung ins Absurde durch Pieth: «Es gibt einen Kreis von Oligarchen, die am Vorabend des Kriegs im Kreml zuhörten, wie Putin seine Pläne darlegte. Diese Leute stehen dem Kreml nahe, sie wurden unter anderem auch deshalb reich, weil sie sich die Gunst Putins erwarben, und deshalb sind sie auch auf die Sanktionsliste gekommen. Oligarchen, die die Kriegskasse von Putin füllen, wären in ähnlicher Weise Gehilfen wie die Schergen der Mafia.»

Schon vor einem Jahr hat die SP Schweiz gefordert, «die Schweiz solle autonom Gelder von sanktionierten Personen [...] einziehen und einem bestimmten Zweck zuführen können». Insbesondere solle es möglich sein, die «Vermögenswerte Putin-naher Oligarchen in die internationalen Bemühungen zum Wiederaufbau der Ukraine einfliessen zu lassen».

Bislang wurden eingezogene Diktatorengelder den Bestohlenen zurückgegeben. In einem aufwendigen und komplizierten Prozess. Also beispielsweise der nigerianischen Regierung (unabhängig davon, wie korrupt die aktuelle ist). Aber niemals wäre jemand auf die Idee gekommen, diese Gelder als Wiedergutmachung für Nigerias Verbrechen in Biafra zu verwenden.

«Der Bund kann Zwangsmassnahmen erlassen.» So steht es im Schweizer Embargo-Gesetz. Es kann also Eigentum weggenommen werden, «ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person».

Reich, Russe, sogenannter Oligarch: das ist eine Gruppe, der ohne den im Rechtsstaat zwingend nötigen Nachweis eines individuellen strafbaren Verhaltens des Betroffenen Eigentum beschlagnahmt werden kann. Das ist in der Schweiz bei fünf Personen der Fall; die beschlagnahmten Werte belaufen sich auf rund 7,5 Milliarden Franken.

Diese Enteignung ist legitim, wenn «eine rechtmässige weitere Verwendung nicht mehr gewährleistet werden kann». Was bedeutet das?

Dazu hat Strafrechtsprofessor Niggli eine klare Meinung: «Für mich nicht erkennbar ist, inwiefern Vermögenswerte, die aus politischen Gründen blockiert wurden, unrechtmässig sein sollten und wieso ihre rechtmässige Verwendung überhaupt zweifelhaft sein sollte, wenn sowohl ihre Herkunft als auch der Grund der Zwangsmassnahme nicht auf die Widerrechtlichkeit der Vermögenswerte noch ihrer Verwendung abstellen.»

Pieth fabuliert über eine so verwegene und rechtsferne Konstruktion, dass sie jedem Unrechtstaat wie Russland gut anstünde.
Was in der Schweiz herumgeboten wird, um den Diebstahl von Eigentum und die Weitergabe der Beute an ein fragwürdiges Regime zu legitimieren, geht auf keine Kuhhaut.