Die Gazprombank Schweiz AG steht vor dem Aus. Nicht weil sie schlecht gewirtschaftet oder gegen Auflagen verstossen hätte. Nein, die Bank verfügte über ausgewiesene Spezialisten und eine gesunde Bilanz, vor allem aber spielte sie eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Exporten und beim Rohstoffhandel. Dass sie nun trotzdem die Lizenz abgeben musste, hat politische Gründe. Nur sagt das niemand.

Die Gazprombank Schweiz mit Sitz in Zürich ist eine Tochter der russischen Gazprombank. Sie blickt auf dreizehn Jahre erfolgreiche Geschäftstätigkeit in der Schweiz zurück – mit einem multinationalen Team von über achtzig Bankfachleuten. Ihre Vorgängerbank ist seit 1966 aktiv in der Schweiz. Mit ihren Kernaktivitäten – insbesondere der Abwicklung und Finanzierung von Handelsströmen zwischen der Schweiz und Russland sowie der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) von Armenien bis Usbekistan – ist (oder war) sie auch für die Schweizer Exportindustrie von Bedeutung.

Finanzierung für Stadler Rail

So finanzierte sie – um ein prominentes Beispiel zu nennen – die Lieferung von über hundert Doppelstockwagen der Thurgauer Stadler Rail für den sogenannten Aeroexpress, der die Moskauer Flughäfen mit dem Zentrum der russischen Hauptstadt verbindet. Bei solchen Exportgeschäften arbeitete die Bank eng mit der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) zusammen.

Bereits kurz nach Kriegsbeginn verfügte die Finma erste Restriktionen. Weitere Massnahmen folgten.

So weit, so gut. Doch mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine änderte sich das von einem Tag auf den anderen. Die Schweizer Behörden, angeführt von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) unter Direktor Urban Angehrn, schränkten die Geschäftstätigkeit der Bank immer mehr ein, bis hin zu einem faktischen Betriebsverbot. Bereits kurz nach Kriegsbeginn verfügte die Finma erste Restriktionen. Weitere Massnahmen folgten in regelmässigen Abständen. Besonders gravierend war das Verbot, neue Kunden aufzunehmen beziehungsweise bestehende Kunden mit weiteren Krediten zu bedienen. Damit konnte die Bank ihren Job de facto nicht mehr wahrnehmen.

Der eigentliche Knock-out folgte jedoch erst. An dieser Stelle der Geschichte kommen die Revisoren ins Spiel. Dazu muss man wissen: Die Abnahme durch eine externe Revisionsstelle ist eine Bedingung für die Beibehaltung einer Banklizenz. Seit 2013 übte die KPMG – eine der big four der Branche – diese Funktion für die Gazprombank Schweiz aus. Nun aber lehnte es die KPMG ab, das Mandat weiterzuführen. Damit nicht genug. Es gibt in der Schweiz nur wenige Revisionsstellen, welche von der Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) zur Revision von Banken zugelassen sind, nämlich deren acht. Und die KPMG ist mit ihrem Boykott nicht allein: Auch alle anderen sagten njet.

Welche Möglichkeiten hatte die Gazprombank jetzt noch? Diese Frage führt zurück zu den Schweizer Behörden. Die Bank ersuchte die Finma mehrmals um Unterstützung. Doch davon wollte die Finma nichts wissen – mit der Begründung, sie sei in dieser Frage «neutral». Mit anderen Worten: Die Finma stellt sich auf einen rein formalistischen Standpunkt. Keine Revisionsstelle, keine Bewilligung. Da sei halt leider nichts zu machen. Das brach der Schweizer Gazprombank letztlich das Genick.

Doch ist das die ganze Wahrheit? Ist die Finma hier wirklich neutral? Und wie steht die Schweiz dazu? Recherchen der Weltwoche zeigen: Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) hatte Kenntnis von dem Fall. Es wurde darüber aufgeklärt und über die möglichen Konsequenzen informiert. Doch unternommen hat es nichts.

Es sind also nicht verbindliche Vorgaben, die zum Verlust der Bewilligung geführt haben.

Forscht man nach den Motiven, warum die Schweizer Behörden die Gazprombank über die Klinge springen liessen, drängt sich die Antwort auf: Es sind politische Gründe. Anders sind die Geschehnisse kaum zu deuten. Fragwürdig daran ist, dass dies niemand klar kommuniziert und dass es keine eigentliche Grundlage dafür gibt. Es existiert weder ein entsprechender politischer Beschluss noch eine internationale Verpflichtung zu einem solchen Vorgehen.

Wie neutral ist die Finanzmarktaufsicht?

Im Gegenteil: Die für die betroffene Schweizer Bank bittere Pointe ist, dass sie nicht sanktioniert ist – und trotzdem in die Liquidation getrieben wird. Weder die Vereinigten Staaten von Amerika noch die EU noch die Schweiz haben nach dem 24. Februar 2022 Sanktionen gegen die Gazprombank ergriffen. Auch das russische Mutterhaus ist seither nicht auf eine Sanktionsliste gekommen. Damit hat die Bank grundsätzlich weiterhin Zugang zu Clearing-Dienstleistungen in allen wichtigen Währungen – insbesondere in US-Dollar und Euro.

Es sind also nicht verbindliche politische oder juristische Vorgaben, die zum Verlust der Bewilligung geführt haben. Der Fall illustriert vielmehr, wie unausgesprochene politische Vorbehalte und mangelnde Führungsverantwortung bei den entscheidenden Akteuren eine unbescholtene Schweizer Bank in die Knie zwingen – weil sie die Tochter einer russischen Mutter ist. Die Revisionsfirmen befürchten offensichtlich einen Reputationsschaden. Die Finma versteckt sich hinter Formalismen und lässt die Bank bewusst auflaufen. Das EFD will sich die Finger nicht verbrennen und duckt sich weg. Dabei gibt es durchaus Argumente, weshalb es für die Schweiz und ihre Wirtschaft vernünftig (gewesen) wäre, die Gazprombank nicht vor die Hunde gehen zu lassen. Das Institut war die einzige schweizerische Bank, die den Handel zwischen der Schweiz und Russland sowie der GUS abwickeln konnte. Und diesen Handel wird es immer geben, in Zukunft möglicherweise wieder vermehrt. So wie es humanitäre Korridore brauche, brauche es auch einen Banking-Korridor, sagt eine Expertin dazu. Genau das ist auch der Grund, weshalb die Gazprombank-Gruppe zurzeit eine gewisse geopolitische Immunität geniesst und international nicht weiter belangt wird.

Brüssel kichert mit

Wie quer die Schweiz in der Landschaft steht, zeigt die Tatsache, dass das Geschäft nun von Zürich nach Luxemburg abwandert. Ironischerweise wird die dortige Gazprombank, eine Schwester der schweizerischen, weiterhin von der KPMG revidiert. Die internationale Revisionsgesellschaft misst also je nach Land mit unterschiedlichen Massstäben. Das Mandat, das sie in der Schweiz ablehnt, ist ihr in Luxemburg willkommen. Auch das luxemburgische Pendant der Finma, die Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF), sieht keine Probleme. Der Schildbürgerstreich der Schweizer Behörden freut den Finanzplatz Luxemburg. Der EU-Staat lacht sich ins Fäustchen. Brüssel kichert mit.

Auf Anfrage der Weltwoche lehnt das Eidgenössische Finanzdepartement jede Verantwortung für den Fall ab und spielt den Ball der Finma zu: «Dem EFD ist hierbei keine Rolle zugeschrieben», lässt eine Sprecherin von Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) ausrichten. Die Finma ihrerseits bestätigt, «seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine in sehr engem Kontakt» mit der Gazprombank zu stehen, will sich aber «nicht weiter zu spezifischen Aufsichtsaktivitäten bei einzelnen Banken» äussern. Vielmehr verweist die Finma auf die Prüfgesellschaften und Revisionsunternehmen. Diese seien «natürlich frei», solche Mandate anzunehmen oder nicht. Die Gazprombank Schweiz AG will sich nicht äussern.

Bleibt die KPMG. Sie teilt nach mehreren Telefonaten und E-Mails mit, «zu Kunden und Mandaten grundsätzlich nicht öffentlich Stellung» zu nehmen, möchte «aber in diesem Zusammenhang darauf hinweisen», dass die Gazprombank entschieden habe, die Geschäftstätigkeit in der Schweiz aufzugeben. So kann man das auch formulieren.