Im Tiroler Pitztal steht auf 2900 Metern Höhe eine beeindruckende Stahlkonstruktion. Sie trägt 3500 Solarpanels, die sich über 1,5 Hektar erstrecken. Es ist die bisher einzige Freiflächen-Fotovoltaikanlage in den Alpen. Sie läuft seit 2015 und produziert jährlich 1,5 Gigawattstunden Strom, 6500-mal weniger als das Schweizer Kernkraftwerk Leibstadt. Gekostet hat die Solaranlage 2,5 Millionen Euro.
Auf einer Insel an der finnischen Westküste befindet sich das AKW Olkiluoto 3. Es handelt sich um einen Europäischen Druckwasserreaktor (EPR). An ihm wurde siebzehn Jahre lang gebaut. Die Kosten liefen aus dem Ruder: Statt drei Milliarden hat das Kernkraftwerk zehn Milliarden Euro gekostet. Nun soll Olkiluoto 3 endlich den Regelbetrieb aufnehmen. Das Werk wird wohl den teuersten Atomstrom der Welt produzieren.
Allerdings kann der finnische Reaktor voraussichtlich achtzig Jahre lang Strom liefern. Bei der Pitztaler Solaranlage hingegen ist nach spätestens dreissig Jahren das Lebensende erreicht. Vergleicht man die Investitionskosten der beiden Werke und berücksichtigt man, was bei Olkiluoto 3 Brennstoff, Betrieb, Unterhalt, Rückbau und Entsorgung kosten, kommt man zu einem erstaunlichen Schluss: Der Strom aus dem angeblich superteuren Atomkraftwerk ist schätzungsweise vier- bis fünfmal billiger als der von der Pitztaler Solaranlage.
Dennoch sollen alpine Solaranlagen in der Schweiz eine grosse Zukunft haben. Seit das nationale Parlament im letzten Herbst ein Gesetz verabschiedet hat, das den Bau solcher Anlagen beschleunigt und finanziell fördert, schiessen entsprechende Projekte wie Pilze aus dem Boden. Die Hoffnung ist gross, dass Sonnenstrom aus den Bergen künftige Versorgungslücken stopfen kann – vor allem im Winter.
Kosten unbekannt
Eines der ambitioniertesten Projekte ist Grengiols-Solar im Walliser Saflischtal. Über nicht weniger als 3,4 Quadratkilometer Fläche sollen fast eine Million Fotovoltaik-Panels aufgestellt werden. Die Anlage soll bei einem Vollausbau 400-mal mehr Strom produzieren als die Anlage im Pitztal.
Mitte März haben die Energieunternehmen, die hinter Grengiols-Solar stehen, ihre Pläne präsentiert. Sie sagten, wie sie das viele Material auf über 2000 Meter Höhe bringen und den vielen Strom in die übrige Schweiz leiten wollen. Zu den Kosten des Projekts aber haben sie nichts gesagt. Dazu sei es noch zu früh.
Eine Kostenschätzung kennt man hingegen zu Gondosolar, einem anderen Walliser Sonnenstromprojekt, das zwar viel kleiner als Grengiols-Solar ist, aber immer noch rund 15-mal grösser als die Anlage in Tirol: 42 Millionen Franken. Martin Schlumpf hat im Nebelspalter vorgerechnet, dass die Investitionskosten bei Gondosolar pro Kilowattstunde mehr als doppelt so hoch sind wie bei Olkiluoto 3. Und dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass Gondosolar nur etwa ein Drittel so lange am Netz bleiben wird wie das finnische AKW.
Zudem: Die Sonne scheint nicht immer – auch nicht in den Alpen. Es braucht darum bei Solaranlagen teure Back-up-Kraftwerke, damit es bei Dunkelheit oder schlechtem Wetter nicht zu Stromausfällen kommt. In Frage kommen etwa Wasser- oder Gaskraftwerke. Die realen Kosten für Sonnenstrom steigen darum nochmals gewaltig. Er wird fast unbezahlbar.
Dazu kommt: Man hat praktisch keine Erfahrung mit dem Bau grosser Solaranlagen in den Bergen. Fehlende Erfahrung wurde schon bei Olkiluoto 3 zum Verhängnis. Darum lagen am Ende die Kosten um ein Vielfaches über dem Budget. Wer garantiert, dass dasselbe nicht auch bei Gondosolar oder Grengiols-Solar passiert?
Alex Reichmuth ist Redaktor beim Nebelspalter.
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