Weltwoche: Jeremy Freiburghaus, Sie sind in den ersten fünf Turnieren des neuen Kalenderjahrs immer nach zwei von vier Runden ausgeschieden. Sie werden mit Ihrem Start auf dem grossen Golf-Circuit nicht zufrieden sein.

Jeremy Freiburghaus: Nein, ich bin tatsächlich nicht gut gestartet. Spielerisch hätte es besser sein können oder müssen. In den letzten paar Turnieren in diesem Jahr hatte ich Probleme mit dem Rücken. Auch deshalb kam ich nicht in den Rhythmus. Jetzt ist mit dem Rücken alles wieder gut. Ich wollte unbedingt kein Turnier verpassen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich zwischen zwei Turnieren eine Pause gemacht hätte, um dem Rücken eine Erholung zu geben.

Weltwoche: Ihre ersten fünf Turniere fanden in Asien statt. Was ist dort – mental oder in der Technik – nicht gut gelaufen?

Freiburghaus: Ich konnte wegen der Rückenprobleme nicht mit hundertprozentigem Vertrauen spielen. Ich kam dadurch in eine Abwärtsspirale, und deshalb war es für mich am Schluss auch mental nicht einfach. Nach diesen Resultaten kam es mir entgegen, dass ich zwei Wochen Pause machen konnte.

Weltwoche: Gab es einen Bereich in Ihrem Spiel, der nicht gut war und an dem Sie jetzt besonders stark arbeiten müssen?

Freiburghaus: Ich muss in jedem Bereich des Spiels arbeiten. Zu meinen Stärken zählen normalerweise die langen Abschläge und die Annäherungsschläge. Beides war zuletzt nicht gut. Ich will diese Stärken in nächster Zeit zurückholen.

Weltwoche: Auf der Europa-Tour, auf der Sie nun spielen, ist das Niveau natürlich höher als auf der Challenge Tour, auf der Sie letztes Jahr spielten. Und die Plätze sind, das weiss man, schwieriger. Bedeutet beides für Sie eine grosse Umstellung?

Freiburghaus: Eine grosse Umstellung bedeutet auch mein Umfeld an den Turnieren. Letztes Jahr war ich immer mit meinen Schweizer Kollegen zusammen, meistens vor allem mit Benjamin Rusch und Joel Girrbach. Wir organisierten alles miteinander, die Reisen, die Unterkunft, das Essen und so weiter. Und wir halfen einander auch moralisch. Jetzt habe ich zunächst nur ein ganz kleines Umfeld auf der Tour. Ich kenne ein paar deutsche Spieler, mit denen ich essen gehe. Aber ein Team wie vorher ist dies natürlich nicht. Mehrheitlich bin ich allein. Das ist eine grosse Veränderung, an die ich mich gewöhnen muss.

Weltwoche: Es ist auch klar, dass das Niveau auf der grossen Tour höher ist als auf der zweiten Tour, der Challenge Tour. Und dass die Plätze schwieriger sind.

Freiburghaus: Das Set-up der Plätze ist anders, die Plätze sind um die Greens herum schwieriger gestaltet. Auch die Greens selber und die Fahnenpositionen sind schwieriger. Und das Niveau ist auf der grossen Tour so hoch, dass man sich nicht viele Fehler leisten darf. Wer auf der Challenge Tour in die Finalrunden kommen wollte, musste nach zwei Runden bei einem oder zwei Schlägen unter Par liegen. Auf der Europa-Tour ist es praktisch gleich. Aber das bedeutet einfach, dass die Plätze tatsächlich schwieriger zu spielen sind.

Weltwoche: Machen Sie also auf der grossen Tour einen Gewöhnungsprozess durch? Haben Sie auch mit dem Scheitern an den letzten Turnieren schon profitieren können?

Freiburghaus: Sicher, ja. Es hat mir gezeigt, woran ich arbeiten muss und was es braucht, um vorne mitzuspielen.

Weltwoche: Ein Blick zurück. Wie sind Sie zum Golf gekommen?

«Je öffentlicher das Golf in der Schweiz wird, desto mehr Junge wird es geben.»

Freiburghaus: Mein Vater ist Golflehrer, also bin ich über die Eltern zum Golf gekommen. Mit etwa sechs Jahren bekam ich die Platzreife. Ich hatte das Privileg, dass ich früh ins Juniorentraining gehen konnte, das mein Vater leitete. Wir hatten damals in Domat/Ems eine recht gute Mannschaft. Mehrere grössere Spieler waren im Nationalkader, mit ihnen konnte ich trainieren. Das hat mich gepusht. Gleichzeitig spielte ich auch noch Fussball in Bonaduz. Ich bekam mit etwa zwölf Jahren ein Aufgebot für ein Fussballregionalkader. Das hätte viel Zeit beansprucht, und so beschloss ich, auf Golf zu setzen und dort mehr Zeit zu investieren.

Weltwoche: Lange wusste man nicht, ob vielleicht Joel Girrbach oder Benjamin Rusch es schaffen würden, in die oberste Liga aufzusteigen. Auf beide wartet man noch. Sie hatte man vor drei Jahren noch nicht auf der Rechnung. Wann haben Sie beschlossen, Profi zu werden und dieses Ziel konsequent zu verfolgen?

Freiburghaus: Schon etwa mit acht Jahren hatte ich das Ziel, Profi zu werden. Aber den wichtigen Schritt machte ich vor der Lehre, als mir klar wurde, was ich wollte. Auch ein Studium oder das Sportgymnasium wären möglich gewesen. Ich entschied mich für eine Informatiklehre in Bonaduz. Ich konnte die Lehre mit dem Sport verbinden und wurde von Swiss Olympic unterstützt. Ich konnte dank flexiblen Arbeitszeiten für alle Turniere, die ich spielen wollte und musste, freinehmen. Wichtig war für mich auch Thomas Gilardi, der Sportdirektor der Gewerbeschule in Chur. Er unternahm im Kanton Verschiedenes für viele Junge aus den verschiedensten Sportarten. Mit ihm konnte ich aushandeln, dass ich so vorgehen konnte. Nach der Lehre setzte ich ein Jahr lang nur auf die Karte Golf, noch als Amateur. Ich wollte auf diese Weise sehen, wo ich mit meinem Niveau stehe. Ich fühlte mich aber noch nicht bereit für den Wechsel, auch wenn ich schon relativ gut spielte.

Weltwoche: Sie hatten also ein Jahr lang kein Einkommen?

Freiburghaus: Ja. Irgendwann ging mir das Geld aus. Ich arbeitete dann anderthalb Jahre lang als Software-Entwickler in Chur. Es war eine Arbeit, verbunden mit einem Sponsoring. Ich konnte am Morgen arbeiten und am Nachmittag trainieren. Es gab mir auch die Möglichkeit, meinen normalen Golfkalender abzuwickeln. Als ich 2019 den Schritt zum Profi machen wollte, konnte ich Golf und Arbeit nicht mehr unter einen Hut bringen.

Weltwoche: Sie haben einen Mentalcoach, der von einer ganz anderen Sportart her kommt. Es ist der frühere Spitzen-Curler Andreas Schwaller, der Europameister und 2002 Olympia-Bronzemedaillengewinner war. In den mentalen Belangen gibt es grosse Ähnlichkeiten zwischen Golf und Curling. Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit?

Freiburghaus: Ich arbeite jetzt schon länger mit Andreas Schwaller zusammen. Er greift von sich aus nicht ein, aber er hält sich zur Verfügung. Wir halten es so, dass ich mich bei ihm melde, wenn ich seine Hilfe benötige. Das kann in den verschiedensten Situationen der Fall sein. Und dann hilft er mir tatsächlich. Das war auch in meiner guten Saison 2022 so.

Weltwoche: Noch vor etwa dreissig Jahren war Golf in der Schweiz eine private, schier exklusive Angelegenheit. Seither hat sich der Golfsport bei uns deutlich geöffnet. Glauben Sie, dass Sie in der damaligen Zeit auch Profi geworden wären?

Freiburghaus: Ich kann nicht sagen, ob ich ohne diese Öffnung zum Golf gekommen wäre. Mein Vater begann seine Ausbildung zum Golflehrer in Bonmont am Genfersee und machte sie danach in Bad Ragaz fertig. Wenn es den Platz in Domat/Ems nicht gegeben hätte, wäre er vielleicht dort geblieben oder zurück nach Bonmont gegangen.

Weltwoche: Welchen Weg muss das Schweizer Golf gehen, damit mehr junge, talentierte Spieler nach oben kommen, die zur Elite in Europa oder sogar in den USA stossen könnten?

Freiburghaus: Die vielen Plätze, auch öffentliche Plätze, die in den neunziger Jahren und später aufgegangen sind, haben vieles einfacher gemacht. Heute werden junge Spieler tatsächlich ausgebildet, und es ist relativ einfach, zu vernünftigen Bedingungen Mitglied in einem Klub zu werden. Es gibt auch Vereinigungen unabhängiger Golfer wie die Asgi. Ihre Mitglieder, auch junge, können in den Klubs spielen, ohne dem Klub anzugehören. Ich sehe es bei mir selber. Wenn wir damals in Domat/Ems keine Juniorenförderung gehabt hätten, wäre ich sicher nicht so weit gekommen. Vielleicht hätte ich nach den ersten Jahren überhaupt nicht weitergemacht. Wir waren aber eine ganze Gruppe junger Spieler und haben einander angespornt.

Weltwoche: Golf, obwohl eine Einzelsportart, braucht auch so etwas wie Teamgeist.

Freiburghaus: Wenn du jung bist, brauchst du auf dem Golfplatz Kollegen. Es ist auch gut, wenn ein paar andere Spieler besser sind als du. Das stachelt dich an. Wäre ich in einem privaten Klub ganz allein gewesen, hätte ich mich vielleicht nicht überwinden können, diesen Weg zu gehen. Je öffentlicher das Golf in der Schweiz wird, desto mehr Junge wird es geben. Man sieht das deutlich in Schweden. Dort gibt es enorm viele öffentliche Plätze, auf denen man ohne Handicap-Ausweis oder ohne Platzreifeprüfung spielen kann. In den USA oder in Grossbritannien ist es noch ausgeprägter. Die öffentlichen Plätze sind dort eben wirklich öffentlich. Man kann jederzeit Schläger mieten und achtzehn Loch spielen. Und die Jungen können sogar gratis trainieren.

Weltwoche: Welches Image hat Golf in der Schweiz heute?

Freiburghaus: Viele denken bei uns noch heute, Golf sei etwas eher Privates, Elitäres. Es sind eindeutig immer noch Vorurteile da. Viele Leute wissen nicht, wie einfach es heute ist, auf einer Übungsanlage spielen zu können. Es gibt sogar kleine Plätze, zum Beispiel Neun-Loch-Anlagen, auch in der Nähe von Zürich, auf denen jederzeit alle spielen können.