Der 19. März 2023 wird als schwarzer Sonntag in die Schweizer Geschichtsbücher eingehen. Es war der Tag, an dem die Credit Suisse durch unüberlegtes und vorschnelles Handeln zu Grabe getragen wurde. Ich nehme es vorweg: Es war der vielleicht schlimmste Tag meines Berufslebens. Dabei hatte ich gehofft, dass alles anders kommt – ähnlich wie im Oktober 2008, als die UBS durch kluges und umsichtiges Handeln des damaligen Bundesrats Kaspar Villiger gerettet wurde.

Damals genügten 60 Milliarden Franken, um eine nationale Institution am Leben zu erhalten. Diesmal wurden von der Nationalbank faktisch 209 Milliarden bereitgestellt. Doch die Credit Suisse überlebte es nicht. Ich stufe dies auch als Verrat an unseren schweizerischen Grundwerten wie Freiheit, Rechtssicherheit und Demokratie ein.

Dass sich der Bundesrat dabei auf das Notrecht berief, kann nur mit Panik und Aktivismus erklärt werden. Es steht im Gesetz, dass Notrecht nur angewandt werden darf, wenn die Grundrechte der Demokratie bedroht sind. Und dies war in keiner Weise der Fall.

Für mich selbst hat das ganze Drama auch eine persönliche Dimension. Nach meiner Lehre bei der St. Galler Kantonalbank in Rapperswil-Jona erhielt ich 1959 bei der Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich die Chance, im Bankengeschäft richtig Fuss zu fassen. Und ich arbeitete 27 Jahre mit Stolz und Freude für diese Bank – und bin ihr heute noch dankbar, dass mir diese Möglichkeit geboten wurde.

Was mich am jetzigen Krisenmanagement besonders stört? Dass es auf Druck des Auslands zu einer Notfallübung kam, in der es praktisch nur Verlierer gibt. Dabei spreche ich vor allem von den Aktionären. Sie wurden in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durch den Staat faktisch enteignet. Dabei steht es eigentlich im Gesetz, dass bei einer solchen Massnahme eine Frist von sechs Wochen gewährt werden muss, in der sich die Aktionäre in die Entscheidung einbringen können. Dieses Gesetz wurde ausgehebelt. Deshalb wäre es keine Überraschung, wenn noch die eine oder andere Klage eintreffen und der gesamte Prozess in Frage gestellt würde.

Letztlich ist der Untergang der Credit Suisse eine Spätfolge der Bankenkrise von 2008. Seither wurde immer mehr billiges Geld ins System gepumpt, das zu Spekulationen und risikoreichen «Wetten» veranlasste. Die Überschuldung nahm immer mehr zu. Dass dann die Silicon Valley Bank in Konkurs ging, befeuerte die Panik an den Märkten und beschleunigte den zerstörerischen Prozess.

Der 19. März war der vielleicht schlimmste Tag meines Berufslebens.

Dass rückblickend der Präsident der Saudi National Bank (SNB), Ammar al-Khudairy, mit seiner Aussage, man werde kein weiteres Geld in die CS einschiessen, für den Untergang der Schweizer Bank verantwortlich gemacht wird, ist eine billige Ausrede.

Ich bin überzeugt, dass die Credit Suisse genügend Substanz besessen hätte, sich selber zu erholen – wenn man ihr die Zeit gelassen hätte.

Dass sich nun aber die Regierung in der Schweiz in den Prozess einschaltete, ist für mich eine Bankrotterklärung – im wahrsten Sinn des Wortes.

Die Aktion verstösst gegen die schweizerischen Grundwerte – und das wichtigste Prinzip der Wirtschaft: Das Eigentum muss immer beim Individuum bleiben. Doch im Fall der CS liegt es nun beim Staat.

So gesehen, ist die UBS nun eine Staatsbank – mit einer gefährlichen Monopolstellung. Wir können nur hoffen, dass die Kartellkommission noch einschreitet und die Credit Suisse wiederherstellt. Doch da ist vielleicht der Wunsch Vater meines Gedanken.

Die Schweiz ist ein Land, dessen Qualitäten darauf gründen, dass die Basis der Bevölkerung bestimmt – dass der Entscheidungsweg quasi von unten nach oben verläuft. Bei der Credit Suisse war dies umgekehrt. Die Entscheidung wurde auf starken Druck von oben diktiert.

Doch vielleicht ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Hoffentlich zieht man in der Politik und in Wirtschaftskreisen einen Rückkommensantrag in Erwägung – und hinterfragt diesen unter Druck gefällten Notrechtsentscheid nochmals grundsätzlich. Es wäre noch nicht zu spät.

Der Termin für den Vollzug ist erst in sechs Monaten vorgesehen.

Karl Reichmuth, 83, bezeichnet sich als Methusalem der Schweizer Bankiers. 1996 gründete der Luzerner die Vermögensverwaltung Reichmuth & Co., die zwei Jahre später in eine Privatbank umgewandelt wurde.