Der Terminkalender kennt keine Gnade. Ausgerechnet zwei Tage nach seinem Interview in der NZZ am Sonntag musste Bundespräsident Alain Berset vor mehreren Hundert Studenten an der Universität St. Gallen sprechen.

Zuvor war er für einige Äusserungen abgewatscht worden. Sogar von der eigenen Partei. Berset hatte sich in der Zeitung für ein klares Festhalten an der Neutralität, keine Waffenlieferungen sowie Friedensverhandlungen mit Russland ausgesprochen.

Darüber hinaus hatte der Bundesrat den «Kriegsrausch» erwähnt, den er «in gewissen Kreisen» spüre. Bersets Beobachtung war richtig. Denn bekanntlich sind sogar ehemalige Armeeabschaffer über Nacht zu Fans von schwerem Geschütz geworden.

Aber aufgrund des öffentlichen Drucks musste er seine Äusserungen in St. Gallen relativieren. Seine Wortwahl sei «unglücklich» gewesen. Er habe nur die besondere Rolle der Schweiz betonen wollen.

Dass Länder, die sich militärisch stark engagieren, die Diskussion «aus einer Kriegslogik» führen, verstehe er, aber es brauche «auch noch andere Elemente». Zum Beispiel eben Verhandlungen, und für die sei die Schweiz prädestiniert.

Der Blick bleibt unversöhnlich. Laut ihm ist die «Kriegsrausch»-Aussage damit nicht aus der Welt. Der Bundespräsident habe sich schon zuvor über das «kriegerische Klima in der Schweiz» beklagt.

Dass gerade der Blick kein Verständnis für Bersets Wahrnehmung hat, erstaunt. Denn diese Zeitung gehört zu den Adressen, die den Kriegsrausch vorleben. Sie bezeichnete die Neutralität als «heilige Kuh» und sprach von einem «Neutralitäts-Kult». Keine Waffen an die Ukraine zu liefern, sei «ein historischer Fehler», hiess es an anderer Stelle.

Wenn Blick-Journalisten Belege für die neue Lust am Krieg suchen, müssen sie also nur die eigene Zeitung lesen.