Bundeskanzler Olaf Scholz gilt vielen schon jetzt, acht Monate nach Dienstantritt, als Fehlbesetzung der Saison: zu zaghaft, zu zaudernd, zu unentschlossen. In kriegerischen Zeiten, in denen Führungsstärke gefordert wäre, sehen nicht wenige Kommentatoren in dem trockenen Norddeutschen eine Art Hamlet der Politik, der vor lauter Grübelei das Handeln vergisst.
Diese Analyse ist reichlich plump. Anders als der dänische Prinz ist Olaf Scholz alles andere als entschlussarm: In seiner verschmitzten Art, die oberflächliche Betrachter für spröde halten, manövriert der Wahlhanseat in bester Lotsen-Manier Deutschland durch die zahlreichen Untiefen, die der Ukraine-Konflikt der deutschen Politik beschert hat.
Mit Augenmass schippert der Kanzler den alten Frachter BRD zwischen Bündnis-Verpflichtungen, Signalen gegen den Aggressor, deutschen Russland-Interessen, Eskalationsgefahr, Rezession und Energie-Embargo hindurch.
So macht man keine bella figura, aber man handelt verantwortungsvoll.
Ein hübsches Beispiel seiner geerdeten Staatskunst lieferte Olaf Scholz bei seinem gestrigen Besuch in der Ukraine.
Beitrittskandidat der EU solle die Ukraine werden und möglichst schnell einen Beitrittsstatus anerkannt bekommen, so war sinngemäss aus dem Mund des Kanzlers und des französischen Präsidenten Macron zu vernehmen.
Beitrittskandidaten-Status? Klingt gut, und entsprechend jubelten vor allem die deutschen Medien über diesen entschlossenen Schritt des Kanzlers. Einmal mehr war von einem Kurswechsel die Rede.
Aber das ist natürlich Unfug.
Denn EU-Beitrittskandidat zu sein, bedeutet erst einmal gar nichts. Die Türkei etwa ist das seit über zwanzig Jahren. In der Zeit fliesst viel Wasser den Rhein oder die Senne hinunter.
Die tatsächliche Aufnahme ist an ein kompliziertes Verfahren gebunden, und alle einzelnen Schritte haben mit einstimmiger Zustimmung des EU-Rates zu erfolgen. Das kann dauern – oder auch vollkommen scheitern.
Scholz weiss das natürlich, hat aber mit seiner Zustimmung die Aura des Blockierers zumindest teilweise abgelegt. Die Gemüter sind beruhigt – geändert hat sich faktisch aber wenig.
Das nennt man Realpolitik mit Augenmass.
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Herr Grau, Sie sind ein echter Witzbold, zelebrieren eine Eloge auf den Skandal-umwitterten Bundeskanzler, als ob es einen 'Hafengeburtstag' genannten G20-Gipfel nie gegeben hätte, weder Verstrickungen in die Milliarden-Verluste der HSH Nordbank, noch die Ex-Cum-Geschäfte der Warburg Bank!
"Ein hübsches Beispiel ... lieferte Olaf Scholz bei seinem ... Besuch in der Ukraine." Ja, da bewies er nämlich, dass er seine Richtlinienkompetenz an Herrn Selenskyj abgegeben hat. Hätten sie lieber gefragt,
Der Kandidaten-Status und der Besuch von hochrangigen Vertretern drei großer EU-Länder, wird hoffentlich im Hintergrund dazu genutzt, Selenski auf den Boden der Tatsachen zurück zu rufen und dahin zu bringen, Modalitäten für einen baldigen Waffenstillstand zu erarbeiten. Putin ist ganz klar der Aggressor hier, nur der momentane Zustand kann kein dauerhafter bleiben, ohne dass die Ukraine und die EU einen bleibenden massiven sozio-ökonomischen Schaden erleiden.