Der französische Präsident Emmanuel Macron hat erkannt: Wenn Westeuropa im russisch-ukrainischen Krieg überhaupt noch als eigenständiger Akteur wahrgenommen werden will, sollte es in die Gänge kommen. Anders gerät der Westen des Kontinents zwischen die Mühlsteine – auf der einen Seite die Allianz der Angelsachsen, auf der anderen der immer mächtigere, bilateral von den USA befeuerte polnisch-baltische Block.

Deutschland hat sich durch seine allzu demonstrative Parteinahme der eigenen Spielräume beraubt. Dahinter steckt die Flucht einer «postnationalen» Träumer-Generation in die sanften Auen der Moral und der inneren Haltung. Der Ball liegt also weiter westlich. Doch ob Macron die nötigen PS auf die Strasse bringt?

Es reicht ja nicht, Gespräche anzumahnen. Bis zu einer neuen europäischen Friedensordnung ist es ein sehr, sehr weiter Weg. Die Kampfhandlungen werden noch mindestens Monate anhalten.

Das Maximum, was eine westeuropäische Initiative (neben den Franzosen vielleicht noch Österreicher, Italiener und andere) erreichen kann, ist ein kriegsbegleitender europäisch-russischer Dialog, in dem offen und vertraulich über alles geredet wird: Kriegs- und Friedensszenarien, Verbrechen, Schicksal der Zivilbevölkerung, Narrative.

Die Gegner einer solchen Initiative warnen eindringlich vor einer Spaltung der europäischen Position, vor dem Aufweichen der Unterstützung für die favorisierte Kriegspartei. Doch diese Spaltung ist unausweichlich. Die Überzeugung, der europäische Friede und die europäische Sicherheit liessen sich nur gegen und ohne Russland gewährleisten, wird immer nur die Überzeugung einer Minderheit sein.

Schon bröckelt die Schreckensstarre angesichts des russischen Angriffskriegs; ein sorgenreicher, kalter Winter steht ins Haus. Irgendwann werden die Westeuropäer verstehen, dass sie auch eigene Interessen haben – andere als die der Russen, andere als die der Ukrainer, andere als die der USA.