Die Österreicher haben das Ganze bereits hinter sich. Ende März wurde der ukrainische Präsident Selenskyj per Video für eine Rede ins Parlament zugeschaltet. Die oppositionelle FPÖ verliess unter Protest den Raum.

Nun soll die Tour weitergehen. In der Sommersession soll sich Selenskyj virtuell an die eidgenössischen Räte richten. Dabei wird derselbe Trick angewendet wie in Österreich: Die Rede ist kein offizieller Teil des Parlamentsbetrieb. Sie wird zu einer «Randzeit» abgehalten, so dass niemand zwingend dabei sein muss.

An den Fakten ändert das nichts. Der Repräsentant eines Staates, der sich im Krieg befindet, erhält die Gelegenheit, sich direkt an die Schweizer Bundesversammlung zu wenden. Eine Gegeneinladung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist natürlich nicht geplant.

Die Schweiz bezieht damit einmal mehr klar Stellung in einem kriegerischen Konflikt. Es gilt, was FPÖ-Chef Herbert Kickl für sein Land vor wenigen Wochen gesagt hat: Das geht weder bei Selenskyj noch in einem vergleichbaren Fall. Warum erhält nicht auch ein Vertreter Tibets diese Gelegenheit, das von China annektiert wurde? Oder ein Kurde aus Nordsyrien? Wo wird die Grenze gezogen?

Aus den Reihen der SVP kommt Widerstand gegen die Videorede. Fraktionschef Thomas Aeschi kritisiert, die Ukraine wolle direkten Einfluss aufs Parlament nehmen. Ob es zu einem sichtbaren Protest kommt wie in Österreich, ist offen.

Auch wenn der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen ist: Einen solchen offenen Bruch mit der Neutralität kann sich die Schweiz nicht leisten. Denn Stand heute hat diese noch immer Gültigkeit.