Der Fall ist simpel und komplex zugleich. Caster Semenya wurde vor 32 Jahren in Südafrika als Mädchen geboren. In der Leichtathletik erbringt sie aber Leistungen wie ein Mann und gewann (unter anderem) zwei olympische Goldmedaillen.

Mitverantwortlich für die Parforceleistungen: Semenya weist einen natürlich erhöhten Testosteronwert auf. Hätte sie diesen künstlich auf dieses Niveau gebracht, würde sie in der Dopingkontrolle hängen bleiben.

Um Fairness und Chancengleichheit herzustellen, verlangt der Internationale Leichtathletikverband, dass die Südafrikanerin vor Wettkämpfen ihren Testosteronwert medikamentös senkt. Dagegen beschritt die Sportlerin den Rechtsweg, blitzte aber sowohl vor dem Schweizer Bundesgericht als auch vor dem Internationalen Sportgerichtshof (TAS) ab.

Deshalb wandte sie sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – und klagte gegen die Schweiz. Nun erhält sie recht.

Der Menschenrechts-Gerichtshof schreibt in seinem Urteil, «dass die Klägerin in der Schweiz keine ausreichenden institutionellen und verfahrensrechtlichen Garantien erhalten hat, die ihr eine wirksame Prüfung ihrer Beschwerden ermöglicht hätten». Weil für die Athletin viel auf dem Spiel stand, hätte ihr Anliegen gründlicher geprüft werden müssen.

Laut dem Urteil des Menschenrechts-Gerichtshofs hat Semenya glaubwürdig dargelegt, dass sie diskriminiert werde, wenn sie ihren erhöhten Testosteronspiegel mit Medikamenten reduzieren müsse, um an Wettkämpfen bei den Frauen teilnehmen zu können. Für solche Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und sexueller Merkmale brauche es «sehr gewichtige Gründe».

Von der Schweiz wird erwartet, dass sie die notwendigen Konsequenzen zieht, zum Beispiel durch eine Gesetzesänderung. Das dürfte jedoch kaum passieren. Der profilierte Sportjurist und Experte für Schiedsgerichtsbarkeit Stephan Netzle sagte der Neuen Zürcher Zeitung: «Eine Erweiterung der Befugnis des Bundesgerichts, Entscheidungen von Schiedsgerichten zu überprüfen, könnte den Standort Schweiz für internationale Schiedsgerichte unattraktiver machen, nicht nur im Sport.»

Auf die Karriere der Sportlerin hat der Entscheid zwar keinen direkten Einfluss. Semenya läuft mittlerweile über die längeren Distanzen, wo die Testosteronobergrenze nicht besteht.

Für den Frauensport ist dies aber ein sehr gefährliches Signal. Sollten plötzlich Frauen (in Frauenrennen) startberechtigt sein, die Werte von Männern aufweisen, ist die Chancengleichheit ad absurdum geführt. Oder wie es Gianna Hablützel Bürki, Olympiasilbermedaillen-Gewinnerin im Degenfechten, unlängst an einer Podiumsdiskussion an der Universität Zürich sagte: «Sport und Menschrechte sind nie kompatibel. Denn es gibt bei uns immer Siegerinnen und Verliererinnen. Erhält Semenya recht, könnte dies faktisch das Ende des Frauensports bedeuten.»

Die 3 Top-Kommentare zu "Das Ende des Frauensports? Die intersexuelle Leichtathletin Caster Semenya erhält mit ihrer Klage gegen die Schweiz recht. Die Konsequenzen sind nicht absehbar"
  • Röbi

    Da werden Frauen diskriminiert und die Feministen schweigen ... nur noch lächerlich und unglaubwürdig ...

  • Chrüütlibuur

    Die Frau schafft sich selbst ab.

  • Osi

    Semenya ist ein seltener Sonderfall, den zu beurteilen nicht ganz einfach ist, immerhin ist sie als Mädchen auf die Welt gekommen. Abartiger finde ich, wenn erfolglose männliche Sportler auf einmal das Gefühl haben, sie seien jetzt Frauen, wie die Fälle, die aus dem Schwimm- oder Radsport publik wurden. Das kann es definitiv nicht sein. Man stelle sich vor, Hirscher würde nächsten Winter als Marcella ein Comeback geben.