Für einmal liess der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis nichts anbrennen. Kaum wurde bekannt, dass die russische Botschaft in Bern einem NZZ-Journalisten wegen eines Artikels mit Haft gedroht hat, wurde der FDP-Bundesrat aktiv. Cassis und seine Mannschaft bestellten den russischen Botschafter in Bern sofort ein und erinnerten ihn daran, dass die Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit sowie die Medienfreiheit durch die Bundesverfassung garantiert werde. Gut.

Warum hat Cassis die Botschafter der G-7-Staaten (plus die EU) bisher nicht mit dem gleichen Brimborium einbestellt? Die diplomatischen Vertreter Frankreichs, Italiens, Deutschlands, der USA, Kanadas, Japans, des Vereinigten Königreichs sowie der EU haben im März in einem dreisten Brief die Schweiz zu mehr Engagement bei der Suche nach Oligarchen-Geldern aufgefordert. Man kann dieses Schreiben allerdings auch als Nötigung, Druckversuche inklusiv einer versteckten Drohung sehen.

Haben der Bundesrat oder Aussenminister Cassis die Botschafter prominent zitiert, um ihnen die Leviten zu lesen und die Kappe zu waschen wie dem russischen Gesandten? Natürlich nicht.

Nach hartnäckigem Nachfragen gab die Bundeskanzlei gegenüber Medien zu verstehen, man habe alle acht Botschafter zu einer Aussprache eingeladen. Wow! Also ehrlich.

Diese Botschafter gehören eigentlich in den Senkel gestellt – zumal sie mit ihrem Brief, der zuvor in den Medien erschienen ist, sämtliche rote Linien der Diplomatie überschritten haben. Im Wiederholungsfall sind sie aus dem Land zu weisen. So müsste jedenfalls ein souveräner Staat auf eine solche Unverschämtheit reagieren.