Es gibt eine politische Sportart, die inzwischen das Zeug hat für eine grosse Samstag-Abend-Show: das AfD-Raten. «AfD – wie kann das sein, Rätselspass für gross und klein!» Und hier kommt ihr Gastgeber … Johannes B. Kerner!

Erst kürzlich hatte etwa ZDF-Top-Talker Markus Lanz beispielsweise Ex-Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und Bestseller-Autorin Juli Zeh (SPD) als Rate-Team zu Gast. Beide Wessis, beide in Bonn geboren, beide jetzt im Osten ansässig, er in Dresden, sie in Brandenburg, und damit bestens prädestiniert für das Rechte-Rätseln.

15 bis 20 Prozent tendierten nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa zu den «Rechtspopulisten», analysierte de Maizière und konnte nicht aufhören, sich zu wundern, dass «die Menschen» etwa AfD-Chefin Alice Weidel hinterherliefen, obwohl die doch viel moderner (lesbisch, mit Partnerin in der Schweiz lebend) sei als die Maximen der inkriminierten blauen Partei.

Wie viel Punkte es für diese Art von Scharfsinn-Attacken gibt, muss die aus Intendanten der öffentlichen Sender, der Amadeu-Antonio-Stiftung und der Bundeszentrale für politische Bildung völlig neutral zusammengesetzte Jury noch beraten. Fakt ist, dass der AfD-Wähler als solcher jedenfalls eines ganz gewiss nicht tut: eine rationale Willensentscheidung zu treffen. Irgendwie muss dieser «Rechtspopulismus» wie eine Naturkatastrophe über den Kontinent gekommen sein und kann mit der Politik der aktiven Regierungen, mit Migrationsproblemen oder etwa Unwillen gegen Gesellschaftspolitik mit der Brechstange natürlich nichts zu tun haben.

Und klar: Der AfD-Wähler ist irgendwie dumpf, ein mysteriöses Wesen aus der Schattenwelt, das einfach nicht erkennt, was die richtige Meinung ist.

Man muss fair sein: Es gab in der Tat auch lichte Momente in dem Gespräch, wenn Zeh etwa konstatierte, dass die alte Theorie von den «gesellschaftlich Abgehängten» als Begründung für AfD-Unterstützung nicht trage. Ein Realitätsmoment, der zumindest zum Einzug ins grosse Show-Finale berechtigen sollte, weil einen kurzen Moment durchzuschimmern schien, dass AfD-Wähler womöglich einfach eine andere Politik wollen.

Zum Schluss könnten die Kandidaten dann gemeinsam mit Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Saskia Esken (SPD) gegen rechts demonstrieren, Herbert Grönemeyer singt «Keinen Millimeter nach rechts» («Es ist ein Transit, eine Szene, die aufzieht / Ein Bodensatz, der nie schläft / Es ist ein Virus, der sich in die Gehirne fräst …»), und das Preisgeld in Höhe von 100.000 Euro geht an die Deutsche Diversity-Stiftung und das Demokratiehospiz in Darmstadt.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Hochmut gegenüber «Rechtspopulisten»: Bei Markus Lanz konnte Ex-Verteidigungsminister Thomas de Maizière gar nicht aufhören, sich zu wundern, dass «die Menschen» etwa AfD-Chefin Alice Weidel hinterherlaufen"
  • mullex

    In Deutschland kämpft man gegen das Recht statt gegen das Unrecht. Es herrscht das Unrecht. Das Recht liegt danieder.

  • Peter Hasler

    Würd' eher behaupten, dass sich die Leute heute fragen, wie man solche Politiker und überhaupt die Alt-Parteien wie z.B. eine SPD überhaupt wählen je konnte...

  • 😢◕‿◕😢

    Darf man noch vom deutschen Volk sprechen. Oder ist das schon eine Minestrone!