Mit dem dürftigen Abschneiden des russischen Militärs im ersten Kriegsjahr in der Ukraine schwächelt auch der russische Einfluss im postsowjetischen Hinterland.

Akut betroffen ist das russische Standing in dem jahrzehntealten armenisch-aserbaidschanischen Konflikt um die von Armeniern bewohnte aserbaidschanische Region Bergkarabach.

Noch im November 2020 konnte die Moskauer Politik ein Ende des für Armenien desaströsen zweiten Karabach-Kriegs vermitteln. Damals verloren die Separatisten der selbsternannten Republik Arzach den Grossteil des von ihnen kontrollierten aserbaidschanischen Territoriums.

Was verblieb, war die Kernregion um ihre Hauptstadt Stepanakert, aserbaidschanisch Xankəndi – und eine Landverbindung nach Armenien, der sogenannte Latschin-Korridor.

Seither steht die Strasse unter Kontrolle einer russischen Friedensmission. Zwei Jahre lang ging das problemlos. Die Regierung in Baku finanzierte sogar den Neubau einer Umgehungsverbindung; ganz offensichtlich vertrauten beide Konfliktparteien, Armenien und Aserbaidschan, dem russischen Management des Korridors.

Bis sich im Herbst 2022 das Blatt wendete: Im September kam es zu den schwersten Gefechten seit Kriegsende; auf armenischer Seite waren Dutzende Tote zu beklagen. Im Dezember blockierten aserbaidschanische Öko-Aktivisten die Strassenverbindung, angeblich aus Protest gegen umweltverschmutzende Metallbetriebe in Bergkarabach. Die hatten jahrelang niemanden gestört. Zugleich verschafften sich aserbaidschanische Journalisten Zugang zu dem umstrittenen Gebiet, ohne auf russische Erlaubnis zu warten. Ganz offensichtlich handelt es sich um eine konzertierte Eskalation.

Inzwischen hat die Auseinandersetzung zu heftiger armenischer Kritik am russischen Verbündeten geführt: Derweil wirft Moskau den USA und der EU vor, Russland aus dem Südkaukasus herauszudrängen. Aserbaidschan und Georgien gehören (wie auch die Ukraine und Moldawien) der 1997 gegründeten prowestlichen Sicherheitsallianz GUAM an. Weitere Eskalationen sind nicht auszuschliessen, auch nicht, dass künftig der Westen die Vermittlerrolle übernimmt.

An der Problematik würde das nichts ändern. In den USA agiert eine starke armenische Lobby; mehrere Bundesstaaten haben die abtrünnige Republik Arzach bereits anerkannt.