Es war nicht Olaf Scholz’ erste wichtige Europa-Rede.

Schon nach dem Covid-Rettungspaket vom Juli 2020 in Höhe von 750 Milliarden Euro hatte er sich für Schritte in Richtung einer europäischen Finanzverfassung ausgesprochen.

Olaf Scholz ist auch der Bundeskanzler, dessen Regierung sich im Herbst 2021 auf einen Koalitionsvertrag geeinigt hat, der sich – man staune! – in Passus 4413 bis 4421 für die Schaffung eines europäischen Bundestaates ausspricht. Darüber wurde bisher eher verschämt hinweggeschwiegen.

Dabei hat die EU-Zukunftskonferenz im Mai 2022 Erstaunliches zutage gefördert: Die europäischen Bürger wollen nämlich mehr Europa, zum Beispiel Mehrheitsentscheidungen, damit die EU endlich mal funktioniert. Oder so radikale Dinge wie einheitliche Steuern in Europa.

Da passt die als radikal bezeichnete Rede von Olaf Scholz in Prag, im Land, das gerade die EU-Präsidentschaft hat, ganz gut: Olaf Scholz benennt die institutionelle Schwerfälligkeit und fordert föderale Reformschritte, wenn sich die EU jetzt weiter erweitern soll.

Es geht um die Durchbrechung des Nationalstaatsprinzips und die Demokratisierung der Strukturen der EU.

Dafür ist es höchste Zeit.

Durch den Krieg in der Ukraine und das dort abgegebene Beitrittsversprechen ist die EU stark unter Druck, ihr schwerfälliges System radikal zu verändern.

Insofern gilt für Olaf Scholz jetzt eigentlich nur: Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es.

Über all diese Dinge geredet wurde nämlich schon 2003 im Vorfeld des europäischen Verfassungsvertrags.

Ulrike Guérot ist Professorin für Europapolitik an der Universität Bonn. Zuletzt erschien ihr Buch «Wer schweigt, stimmt zu. Über den Zustand unserer Zeit und darüber, wie wir leben wollen» (Westend-Verlag).

Die 3 Top-Kommentare zu "Kanzler Olaf Scholz’ Europa-Rede in Prag: Durch den Ukraine-Krieg ist die EU stark unter Druck, ihr schwerfälliges System radikal zu verändern. Es ist höchste Zeit"
  • in_dubio

    Föderale Reformschritte in der EU ? Dann fragen wir mal nach föderalen Reformschritten in der BRD. Ach nein, lieber doch nicht. Dies würde hier den Rahmen sprengen. Also EU. Die einzige Reform, die hier etwas bewirken würde, wäre ein kompletter Reset und eine Neu-Definition der Funktion der EU. Diese Funktion kann nicht autokratisch zentralistischer Superstaat bedeuten, der dann auch die allerletzten demokratischen Mechanismen aufgelöst hat.

  • surok

    Nochmals zum Lernen: Bundeskanzler Scholz ist wie alle Regierungschefs Deutschlands nach dem 2. WK nichts weiter als ein Befehlsempfänger der USA! Es gab und gibt weder eine eigenständige deutsche Außenpolitik noch eine für Deutschland besonders vorteilhafte Europapolitik( s. Nordstream 2)! So liegen auch die Schlüssel für Krieg und Frieden in der Ukraine ausschließlich in Washington! Alle Diskussionen über Sinn und Unsinn der deutschen Politik sind letztendlich überflüssig!

  • Maiskolben

    "Es war nicht Olaf Scholz’ erste wichtige Europa-Rede." Ich habe von diesem Mann überhaupt noch keine "wichtige" Rede vernommen. Vielleicht ist mir da auch nur mal was entgangen?