Konkurrenz belebt das Geschäft und manchmal auch die Demokratie. Welches Programm die neue Partei von Linken-Ikone Sahra Wagenknecht zum Leben erwecken wird, ist einstweilen noch ziemlich unklar.

Fakt ist, dass die Unzufriedenheit mit der aktuellen Ampel-Regierung so gross ist, dass die Chancen nicht schlecht stehen, mit dem «Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit» (BSW), die nötigen Prozente für den Sprung über die Fünfer-Hürde einzusammeln. Bei der anstehenden Europawahl braucht sie die noch nicht einmal.

Man tut freilich gut daran, mit einem Kürzel vorsichtig zu sein, das in Konkurrenz mit einer bekannten Rabattkarte tritt und im Langnamen so gnadenlos gute und schlichte Dinge wie «Vernunft und Gerechtigkeit» verspricht. Das Gegenteil wäre überraschender gewesen.

Wer Sahra Wagenknecht kennt, weiss, dass sie versuchen wird, die einfachen Leute, ehemals Arbeiter genannt, wieder stärker anzusprechen, die die eher studentisch-woken Linksparteiler mit ihren Gender-Orgien und grenzenloser Migration verprellt haben.

Was aber beispielsweise aus dem einst so orthodoxen Marxismus/Kommunismus Wagenknechts und ihrer vormaligen «Plattform» geworden ist, verbirgt sie in den letzten Jahren konsequent. Und auch, ob so ein Satz wie «Gaza ist ein einziges Freiluft-Gefängnis» auf einen untergründigen Antisemitismus/Antiisraelismus hindeutet, der im linken Lager ja schon länger tief und fest wurzelt, bleibt abzuwarten.

Kritik an Waffenlieferungen an die Ukraine darf man freilich sicher erwarten und etwas mehr Russland-Geneigtheit als bei der Bundesregierung. Ob das Parteien-Start-up allerdings mehr Stimmen von SPD und Grünen abzieht oder eher die AfD schwächt, wird spannend zu beobachten sein. Dass es starke Überschneidungen zwischen Linken und AfD gibt, zeigen die Umfragen.

Ob man der neuen, auf allgemeine Salonfähigkeit bedachte Partei, die schon vor der Gründung hinter den Kulissen erkunden liess, ob man womöglich auch hinter irgendeine «Brandmauer» falle, allerdings auch den harten Konterkurs in Tonlage und Inhalt zutraut, wie es die AfD-Anhänger inzwischen tun, das gehört zu den interessanten Fragen der nächsten Zeit.

Wird Wagenknecht gemeinsam mit der AfD von den anderen Parteien mit dem Bann eines Unvereinbarkeitsbeschlusses belegt, so stehen die Chancen gut, dass kurioserweise die Erweiterung des Angebots auf dem Parteienmarkt die weidlich abgenutzten Bündnisse der etablierten Parteien geradezu zementiert. Im anderen Fall könnte sich Wagenknechts BSW auch sehr schnell als Mehrheitsbeschaffer in Koalitionen wiederfinden, die ihr den frischen Wind gleich wieder aus den Segeln nehmen.

Immerhin: Gründerjahre im politischen Berlin. Mal sehen, wen der Kunde künftig zum König macht.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Lichtblick: Welches Parteiprogramm Sahra Wagenknecht vorlegen wird, ist noch ziemlich unklar. Fakt ist, die neue Polit-Konkurrenz belebt das Geschäft und manchmal auch die Demokratie"
  • Pauline Postel

    Ob die neue Partei von Wagenknecht erfolgreich bestehen kann, bleibt abzuwarten. Sicher scheint jedoch, dass DIE LINKE als Partei ausgedient hat und ganz schnell aus der grossen Politik verschwunden sein wird.

  • UKSchweizer

    "Sahra Wagenknecht: Meine Vision für Deutschland: Frieden, Freiheit, Wohlstand für alle" Es scheint mir klar zu sein, dass Wohlstand für alle mit einer noch viel grösseren Umverteilung einhergehen wird. Dem Mittelstand wird man noch mehr Freiheit wegnehmen für was vom hart erarbeiteten Geld ausgegeben werden kann. In jedem Fall wird zuviel links in diesem Parteiprogramm stecken. Aber kein Problem solange sie nur den rot/grünen Parteien Stimmen wegnehmen wird.

  • Peter L.

    Erleben wir gerade eine Renaissance des Sozialismus eines Ferdinand Lassalle - weg von Marx und hin zur Genossenschaft-, der dann doch wieder zur SPD führte?!