Die neue britische Premierministerin Liz Truss hat es eilig, Rekorde zu brechen. Nach nur 38 Tagen ist Truss bereits die Premierministerin mit den schlechtesten Umfrage-Ergebnissen in der britischen Geschichte.

Jetzt wetten Buchmacher darauf, dass sie den Rekord für die kürzeste Amtszeit als Premierministerin brechen wird. Bisheriger Rekordhalter ist George Canning mit 119 Tagen, der im frühen 19. Jahrhundert an Tuberkulose starb. Im Gegensatz dazu wird Truss’ erwarteter Untergang auf ihre politische und wirtschaftliche Unfähigkeit zurückzuführen sein.

In der Konservativen Partei wird gemunkelt, dass sie bis zum 31. Oktober – Halloween – abtreten könnte. Kennt jemand den Horrorfilm «Nightmare on Elm Downing Street»?

Drei Wochen nachdem ihr engster Freund und Verbündeter, Schatzkanzler Kwasi Kwarteng, die internationalen Devisen- und Anleihemärkte mit einem unvorsichtigen Steuersenkungshaushalt schockiert hatte, schickte Truss ihn in die Wüste.

Kurz zuvor hatte Kwarteng die IWF-Tagung in Washington Hals über Kopf verlassen, um nach Hause zu fliegen und sich mit der aufkommenden Finanzkrise zu befassen. Seinem Ruf nach ist er ein Superhirn, Cambridge-Absolvent in Altertumswissenschaft, der Preise für das Verfassen von Oden auf Griechisch gewonnen hat.

Kwarteng wirkte hochmütig und anmassend. Dabei folgte er lediglich dem wirtschaftlichen Kurs, den Truss während ihres Wahlkampfs im Sommer so oft dargelegt hatte. Inzwischen sah sich Truss zu einer Kehrtwende gezwungen. Die zutiefst unpopulären und nicht finanzierten Steuersenkungen, die sie selbst verordnet hatte, wurden rückgängig gemacht.

Was wird nun aus Truss? Ihre Glaubwürdigkeit ist unwiederbringlich dahin. Sie hat den langjährigen Ruf ihrer Partei nach wirtschaftlicher Kompetenz in den Schmutz gezogen. Truss wird sich nicht durch Charme retten können. Sie hat keinen.

Ihre Reden sind schwerfällig – eine Eigenschaft, die durch körperliche Unbeholfenheit und ein aufgesetztes Grinsen nicht besser werden. In der vergangenen Woche hat sie bei einem Treffen von Abgeordneten der Konservativen Partei versagt, sie hat im Unterhaus bei der parlamentarischen Fragestunde gepatzt, und sie ist bei einem Abendessen im Carlton Club für hochrangige Parteispender durchgefallen.

Wer wird sie ersetzen? Die Buchmacher setzen auf Rishi Sunak, den ehemaligen Schatzkanzler von Boris Johnson und Truss’ letztem Rivalen um den Parteivorsitz. Er hatte wie Kassandra vor den Folgen von Truss’ «Fantasieökonomie» gewarnt.

Sunak gewann die Unterstützung der konservativen Abgeordneten, nicht aber die der provinziellen «Blaustrumpfbrigade» der Partei. Die Abgeordneten könnten nun auf eine rasche Krönung Sunaks bestehen, des sympathischen und äusserst fähigen ehemaligen Goldman-Sachs-Finanziers.